Das junge Deutschland (1891)

|[311]| XXIII

Weder die Darstellung des Verhältnisses zwischen Litteratur und Politik, noch die des Ganges der litterarischen Begebenheiten, noch die Zeichnung der vornehmsten Männercharaktere des jungen Deutschland vermag das seelische Leben jener Zeit völlig zu veranschaulichen.

Was geschaffen wird und was geschieht, ist äußerliches Ergebnis. Was in der Welt der Bücher hervorgebracht wird, zielt naturgemäß aus Wirkung; schon um der Deutlichkeit willen wird hier alles bis zu einem gewissen Grade stilisiert und in Relief dargestellt. Aber um zu erforschen, wie in einem bestimmten Zeitalter geistig gelebt wurde, muß man den fühlenden Persönlichkeiten so nahe als möglich zu kommen trachten, und man darf nicht unterlassen, den Eindruck, den man durch die Beobachtung der leitenden Männer der Zeit empfangen, durch das Studium der typischen Frauengestalten der Periode zu ergänzen.

Wo mehr empfunden und weniger geschaffen wird, wo die Gestaltungsgabe zu schwach ist, um das Geschaffene von der Persönlichkeit gänzlich loszulösen, doch aber große Ursprunglichkeit vorhanden ist, da eröffnet sich dem Forscher am leichtesten der Weg zu den verborgenen Quellen eines Zeitalters. Der Brief einer reichbegabten Frau gestattet zumeist unmittelbarer einen Blick in den lebendigen Menschen, in seine wahre Gefühlsweise zu thun, als eine politische Rede oder ein Trauerspiel.

Heine der wenigen großen Frauen, welche in diesem Zeitraum die Geister beherschen, hat irgend ein Kunstwerk hervorgebracht, |312| ja auch nur einen Versuch in dieser Richtung gemacht. Sie haben weder Romane noch Abhandlungen geschrieben. Sie wirkten, auch litterarisch, unmittelbar durch ihre Persönlichkeit und gewannen offenbar nur dadurch eine so große Macht über die Gemüter, weil sich in ihnen etwas von dem innersten Wesen des Zeitalters verkörperte. Ihre Naturen entbehren aller Plastik, aller Greifbarkeit, es ist etwas Undeutliches, Verschwommenes in den Konturen ihres Geisteslebens. Ist es aber aus diesem Grunde schwierig, ihre Individualitäten zu schildern, so bieten deren Äußerungsformen dafür um so günstigere Gelegenheit, der Zeit den Puls zu fühlen.

Durch sie gelangt man zu der Einsicht, daß die dem Leben der Besten in dieser Periode zu Grunde liegende und in der Opposition gegen den Kultus der Regel, den Zwang des Herkommens Ausdruck findende Idee darin besteht, das einzige eines fühlenden, denkenden Wesens Würdige sei, die menschlichen Verhältnisse in selbständiger ursprünglicher Weise aufzufassen und sein Thun und Lassen diese Auffassung zu gründen. Es war das eine in der deutschen Kultur schon nicht mehr neue Idee. Sie stammte von Herder, sie hatte sich auf alle die Verkünder des Naturevangeliums, darunter auch Heinse, der auf einzelne Männer des jungen Deutschland so mächtig einwirkte, vererbt. Zur unumschränkten Herrschaft, zur Anwendung auf allen Gebieten des Lebens war sie jedoch erst durch Goethe gelangt. Vertieft man sich in die eigenartigsten Frauengestalten jener Zeit, so wird einem klar, daß das, was von 1810——1835 sich innerlich vollzogen hat, was die Zeit als verstohlene Heimlichkeit unterirdisch barg, nichts anderes war, als die Schritt für Schritt erfolgende Verdrängung der kirchlichen Weltanschauung durch die Goethesche, welche sich aller großen Instinkte und aller wirklichen Begabungen der Zeit bemächtigt hatte.

Die unvergleichlich bedeutendste Frau, die in den dreißiger und vierziger Jahren die geistig Interessen in Deustchland beschäftigt, ist Rahel Barnhagen von Ense. Sie stirbt in März 1833, |313| und 1835 giebt ihr Mann in drei Bänden jene Auswahl ihrer Briefe und Tagebücher heraus, die der großen Lesewelt, was sie gewesen, offenbarten. Dieser Veröffentlichung folgten allmählich eine große Zahl anderer, die ihre Person zum Mittelpunkt hatten.

Weit weniger genial, aber weit talentvoller als Rahel war Bettina von Arnim, von welcher im Jahre 1885 das Aufsehen erregende Buch »Goethes Briefwechsel mit einem Kinde«, welches mit Begeisternng aufgenommen wurde, erschien.

Während Rahels Name wegen ihres vieljährigen ununterbrochenen, wenn auch rein privaten Wirkens in der Stille unvergessen bleibt, während glänzendes Talent und funkelnder Witz dem Namen Bettinas Glanz verleihen, ist der Name einer dritten Frau, welche auf die Männer und Frauen der damaligen Zeit einen tiefen Eindruck machte, ausschließlich um einer Handlung, eines Selbstmordes willen, der Nachwelt erhalten geblieben. Es ist Charlotte Stieglitz, die im Dezember 1834 sich entleibte, und deren Lebensges chichte, Aufzeichnungen und Briefe 1835 der Lesewelt von Theodor Mundt vorgelegt wurden. Sie wurde sofort zum Gegenstande zahlreicher Studien und verherrlichender Schriften seitens der jungen Schule. Besonders schön hat Gustav Kühne sie charakterisiert Ihr Tod gab überdies, wie erwähnt, den Anstoß zu Gutzkows »Wally«.

Rahel Antonie Friederike Varnhagen (geb. Levin, später unter dem Familiennamen Robert bekannt) kam in Berlin 1771 zur Welt. Sie wäre also insofern einer ganz andern Epoche als der der Julirevolution zuzurechnen. Allein erst nach ihrem Tode wurde sie eine der Allgemeinheit angehörige Person, erst dann trat sie durch das gedruckte Wort in Beziehung zum Publikum und zu den Schriftstellern der Zeit. Sie war eines jener seltenen Wesen, die kraft ihrer unvergänzlichen Gemütsfrische alles und derstehen, mit den verschiedenartigsten Individualitäten und Richtungen Fühlung haben, mit scharfem Blick überall das Wesentliche herausfinden und mittelst ihrer vielseitigen, nie versiegenden Sympathie bis and den Tod ebenso |314| sehr von den Besten der Jüngeren wie der Älteren bewundert hochgehalten werden. Rahel wurde von Gutzkow gehuldigt, ihr von Schelling und Friedrich Schlegel, von Schleiermacher und Wilhelm von Humboldt gehuldigt worden. Ihr, der glühenden Patriotin, welche im Freiheitskriege Spitälern in Berlin und Prag vorstand, zollte noch Heinrich Heine Bewunderung, der Fünfzigjährigen das lyrische Intermezzo im »Buch der Lieder« widmend. Sie, die mit den ausgezeichnetsten Männern der Wende des Jahrhunderts, mit dem Fürsten von Ligne, mit Fichte, dem Prinzen Louis Ferdinand, Fouque und vielen anderen in vertraulichem Verkehr gestanden, begrüßte zum Staunen ihrer Umgebung noch die »Orientales« Victor Hugos, die Schriften der Samt-Simonisten mit lebhafter Freude. Dieses Leben, so undramatisch es ist, hat etwas Großes.

Man ahnt die Bielseitigkeit ihres Wesens, wenn man die Schar der so ganz verschiedenartigen Persönlichkeiten überblickt, zu denen sie in nahen Beziehungen stand. Es offenbaren sich Tiefen in die noch immer überraschen, zugleich aber auch Unklarheiten, die einem modernen Menschen ungenießbar sind. Der Zauber ihres Wesens lag im Mündlichen, Unmittelbaren, in der gelegentlichen Äußerung. Ihn heute zu rekonstruieren, ist daher kein Leichtes. Sie hat stark nach außen gewirkt, immerhin aber war ihr eigentliches Leben gänzlich nach innen gekehrt. Sie war in ihrem Geistesleben entschieden aristokratisch, dabei aber so herzensgut, daß ihre Güte ihr Rücksichten auch für Menschen, die ihr vollkommen ferne standen, eingab.

Als junges Mädchen ohne Schönheit, ohne irgend ein Talent, wächst sie im Hause ihres Vaters, eines reichen, jüdischen Kaufmanns, zu einer Zeit in Berlin auf, wo der jüdische Stamm noch keinerlei Bürgerrechte besaß. Fünfundzwanzig Jahre alt, ist sie bereits ein bedeutsames Mitglied der höheren Gesellschaft der Hauptstadt. Von ihrem dreißigsten Jahre an ist sie bis zu uhrem Tode Mittelpunkt der Intelligenz in Berlin, einer der Mittelpunkte |315| der Intelligenz ganz Deutschlands. Durch die Ursprünglichkeit ihres Wesens zog sie an. Ist es doch allen Menschen wert und teuer, ihr Wesen in dem Geiste eines bedeutenderen Menschen sich wiederspiegeln zu sehen; ein jeder ersehnt Mitgefühl, ein jeder will verstanden sein. Und instinktiv fühlten alle, die ihr nahten, Fürsten und Adlige, Diplomaten und Philosophen, Dichter wie Gelehrte, daß dieses junge Mädchen mit der leichten, anmutigen Gestalt, den feinen, runden Körperformen, dem leidenden Zug in dem von dichtem Lockenhaar umrahmten Antlitze und dem tiefen, festen Blicke der dunklen Augen ihres Vertrauens würdig sei, und zwar aus dem einfachen, aber triftigen Grunde, weil sie vollkommen frei von jedem Vorurteile war.

Sie geht mit Freude mit einer reizenden Hetäre, wie Pauline Wiesel, der Freundin des Prinzen Louis Ferdinand, um. Sie ist zugleich ihre Vertraute, die ihres cynischen Mannes und die ihres fürstlichen Liebhabers. Sie ist einem reaktionären Wüstling wie Friedrich Gentz aufrichtig zugethan. Sie beglückwünscht ihn mit Wärme, als er, über fechzig Jahre alt, Fanny Elslers Liebe gewinnt. Sie schätzt in ihm das glänzende Prosatalent und den Politiker, der in einem entscheidenden Augenblick nationale Bedeutung gehabt. Die Menschen sind ihr in Goethescher Weise Naturprodukte.

Daß sie, streng sittlich und politisch freiheitsliebend, wie sie war, sich zur Höhe einer solchen Vorurteilsfreiheit erheben, einen so weiten Horizont gewinnen konnte, das kam daher, daß sie auf einer Freistätte außerhalb der Gesellschaft, nämlich in einem wohlhabenden jüdischen Hause in Berlin geboren war.

Ein paar Jahrhunderte lang hatten in dem altväterisch steifen, intoleranten Preußen die fremden, verachteten, krummnasigen Familienväter in ihren Wechslerbuden gesessen; alles Sinnes für anderes, als für den Wert des Geldes bar, hatten sie Thaler zu Thaler gelegt, Obligationen gekauft und schließlich dann und wann Fürsten|316| Geld geliehen. Bei all ihrem Reichtume waren sie unwissend, orthodox, abergläubisch. Da brach in der Aufklärungsperiode Moses Mendelssohns Wirksamkeit über sie herein. Ihre Religiosität wurde ein edler Rationalismus und sie begriffen, was Kenntnisse und Bilddung bedeuteten. Schon am Schlusse des achtzehnten Jahrhunderts hatten sie ihren Söhnen eine ganz neue Erziehung gegeben, während man dieselben zugleich als Wesen zu betrachten begann, gegen die man ein Unrecht gut zu machen hatte. Das Geschlecht dieser Söhne öffnete nunmehr mit einem Male seine bisher geschlossenen Häuser.

Sie glichen nicht den engen, spießbürgerlichen Berliner Wohnungen: Geräumige Gemächer mit dicken, orientalischen Teppischen, da und dort ein kostbares Gemälde, das dem Vater oder Großvater von irgend einem, sich in Geldverlegenheit befindenden Fürsten überlassen worden. Ein Tisch mit vorzüglicher Küche, seinen Weeinen, Gold- und Silbergeschirr, Gläsern aus feinstem Kristall, das auf spitzenbesetzten Tüchern funkelte. Gattin und Töchter mit einer höheren Bildung ausgestattet, als sie zumeist den Damen des Bürgerstandes eigen, voll lebhaften Interesses für Theologie, Philosophie und Musik, und durch die gemischte Gesellschaft, die in ihren Häusern verkehrte, sich schnell entwickelnd.*)*

*) Karl Hillebrand, Zeiten, Völker und Menschen. Zweiter Band, fünftes Kapitel: Aus dem unzünftigen Schrifttum Deutschlands; La société de Berlin in der Revue des deux mondes.

Denn hier trafen sich, wie auf neutralem Grunde, alle in der Gesellschaft sonst von einander getrennten Mitglieder der verschiedenen Stände und Kasten, und gar viele von denen, die von der Gesellschaft ausgeschlossen waren. sKein bürgerliches Haus in Berlin öffnete sich damals einer fremden oder einheimischen Schauspielerin. Hier verkehrten die Damen vom Theater mit den anderen Gästen auf gleichem Fuße. In anderen bürgerlichen Häusern verkehrten die Prinzen schon deshalb nicht, weil sie sich dort zu sehr langweilten. Hier erschienen sie, gelockt von der Ungezwungenheit des Tons und |317| dem Witz der Damen. Es war eine Zigeunerwelt, ohne die Roheit des Bohemelebens. Es war der erste Durchbruch des Weltbürgergeistes in dem altpreußischen Berlin.

In diesen Kreisen nun wächst Rahel aus. Eine einzelne Freundschaftsverbindung schon zeichnet sie aus, die mit ihrem Altersgenossen, dem damaligem Helden der Jugend, Prinz Louis Ferdinand, dem Sohne des jüngsten Bruders Friedrichs des Großen, einer ritterlichen, künstlerischen Natur, voll tollkühnen Mutes, von leichten Sitten zwar, aber ein vorzüglicher Musiker und vorzüglicher Reitergeneral. Goethe hat ihn in seinem Buche »Die Campagne in Frankreich« geschildert. Seine Bildung war, wie die aller preußischen Prinzen damals, französisch, und zwar in dem Grade, daß er (wie aus seinen veröffentlichten Briefen zu ersehen) nicht im stande war, orthographisch deutsch zu schreiben. Gleichwohl war er ein leidenschaftlicher Feind Napoleons und brannte vor Begier, mit dessen Truppen die seinen zu messen. Wie seiner Zeit der Prinz von Homburg trotzte er einem Rückzugsbesehl und ließ sich in seinem Harm über die Niederlage bei Saalseld — sich weigernd zu fliehen, sich weigernd sich zu ergeben — von französischen Husaren niederhauen. Er vertraute Rahel seine wilden Liebesabenteuer an und fand in seinem Leide über eine unwürdige Geliebte in stillen, vernünftigen Gesprächen mit ihr wie bei einer Schwester Trost.

Nicht immer vermochte sie anderen Trost zu spenden. Sie bedurfte dessen in ihrer Jugend selbst zu sehr. Sie war von Natur zu so hochgradiger nervöser Reizbarkeit geneigt, daß sie als Kind nur mit großer Mühe am Leben erhalten werden konnte.

Fast jeder ihrer Briefe enthält neben dem Datum die genaueste Beschreibung des Wetters und der Temperatur. Z. B.: »Freitag, den 14. märz 1828. Graues Südwestwindwetter, feuchtlich und doch nach dem Frühling hinneigend, ohne für Wetterempfindliche zum Spazierengehen zu sein. Tauben fliegen, blaue Fenster brechen in dem Himmeln und lassen, wie jetzt, Helle durch.« Oder »23. März |318| 1829. 11 Uhr. Helle Sonne, die durchgebrochen, eiskalter, luftleerer, dezidiertester Nordostwind! Der Tiergarten zum ernstesten vermeiden, kellernaß und nicht völlig seines Eises entledigt.« Oder: »17. April 1830. Mittags. Nach Regen ein Frühlingswetter, und die Bäume grünlich. Mein bester Augenblick im Jahr, ohne Fliegen noch Mücken, ohne Hitze. Der Frühling nahend, der uns tausend Erinnerungen und Hoffnungen zuweht, die sich nie erfüllen, auf die wir aber Anspruch haben.«

Solche Geister verdienen und erwecken in gleichem Maße Mitleid wie Bewunderung. Ihr Freund W. v. Burgsdorf schreibt ihr: »In der allerersten Zeit unserer Bekanntschaft fiel es mir einmal plötzlich auf die Seele, daß ein langer Schmerz Sie erzogen haben müsse«

Es war so. Sie hatte einen kränklichen Körper, eine gedrückte Jugend, einen harten Vater gehabt und frühe Demütigungen litten. Sie war —— in fast unwürdiger Weise — unglücklich darüber, als Jüdin geboren zu sein. Sie nennt es einen Dolch, den ein übernatürliches Wesen im Augenblicke der Geburt ihr in die Brust gestoßen. Es regte sich auch keine Fiber ihres Wesens für die Religiogionsgenossenschaft, der sie von Geburt angehört hatte. Der Fanatismus, der in dieser, wie gegen diese geherrscht, lebte noch in frischer Erinnerung. Noch 1756 hatte die jüdische Gemeinde Berlins ein Kind aus der Stadt ausgestoßen, weil es einem Christen ein Buch getragen. Und andererseits hatte Moses Mendelssohn mit seinen Kindern kaum über die Gasse gehen können, ohne mit Steinwürfen verfolgt zu werden.

Rahels Vater hatte in ihrer Jugend seinen ganzen Verstand, all seine Festigkeit darein gesetzt, den Eigenwillen des zarten Kindes zu brechen, und nur durch die ungewöhnliche Stärke ihres elastischen Geistes gelang es ihr, sich ihre Eigenart zu wahren. Sie hatte frühe das Gefühl, so viel gelitten zu haben, daß es nichts mehr zu brechen oder zu knicken in ihr gebe.

Solch ein Wesen konnte nichts anders als Heftigkeit lieben, |319| und eine so leidenschaftliche Natur war verurteilt, in der Liebe Qualen zu erdulden. Zweimal erlitt sie, wo sie am glühendsten liebte, die bitterste Enttäuschung, erlitt das Gefühl, als wäre ihr der Mordstahl ins Herz gestoßen und sie müsse nun Jahr um Jahr mit dem Messer in der Wunde fortleben.

Vierundzwanzig Jahre alt hatte sie sich mit ganzer Seele dem um ein Jahr jüngeren Grafen Karl von Finckenstein, dem Sohne eines preußischen Ministers, verbunden. Das jugendliche Paar verlobte sich, und Rahel lebte einige Jahre allein dieser Liebe. Ihr Bräutigam war gut, verliebt, voll Hingebung, doch ein schwacher Charakter. Er teilte ihr mit, welchen Quälereien er sich von seiten seiner vornehmen Familie, die das Verhältnis mit einer nicht Ebenbürtigen mißbilligte und ihn zu bewegen suchte, es aufzugeben, ausgesetzt sähe. In ihrem Stolze tief verletzt, gab sie ihm sein Wort zurück. Obwohl sie bei der Überlegenheit ihrer Persönlichkeit seine Bedenken ohne Zweifel zu überwinden vermocht hätte, wofern sie ihr ganzes Wesen dafür hätte einsetzen wollen, gab sie ihn sofort vollkommen frei, und er war schwach genug, so sehr er sie auch liebte, seine Freiheit anzunehmen. Niemals verwand sie diese erste, tiefe Demütigung

Drei Jahre vergingen und sie verliebte sich aufs neue, und diesmal mit lodernder Leidenschaft, mit aller Kraft der Seele und der Sinne, und ihr Gefühl wurde erwidert. Sie verlobte sich zum zweitenmal mit Don Raphael Urquijo, Legationssekretär bei der spanischen Gesandtschaft in Berlin, einem außerordentlich schönen jungen Manne. Das beiderseits leidenschaftliche Verhältnis währte ein Jahr lang. Aber die Naturen waren allzu ungleich, allzu tief stand er unter ihr. Er quälte und kränkte sie in einer Weise mit seiner Eifersucht, daß sie, um ihre Menschenwürde zu wahren, mit ihm Brach —— doch mit einem, bis an Wahnsinn grenzenden Gefühle von Vernichtung, Vereinsamung. Sie sah sich allen Unbilden des Leben preisgegeben, des Schutzes beraubt, dessen ihr Frauenherz am wenigsten entraten konnte

|320| Nachdem sie von Finckenstein verlassen worden, schlug man ihr eine Vernunftpartie vor. Sie erwiderte:

»Ich kann mich nicht verheiraten; denn ich kann nicht lügen. Glaubt nicht, daß ich stolz darauf sei; ich kann nicht, wie ich nicht Flöte spielen kann . . . Er dürfte keine Vorurteile haben, sonst hielt ich es nicht aus . .. Es ginge auch nicht an, daß er dumm wäre und mich zwänge zu lügen und zu machen, als bewunderte ich ihn. Ich muß alles, was ich will, sagen können.«

Da ihr Herz nunmehr der tiefsten Befriedigung entbehrte, so wendete sie sich um so leidenschaftlicher ihren geistigen Interessen zu. Hier stieß sie indes auf die Schwierigkeit, nichts Ordentliches gelernt zu haben. Sie pflegte von ihrer »dicken« Unwissenheit zu sprechen. Selbstverständlich war sie weit davon entfernt, unwissend zu sein, doch so viel ist gewiß, daß ein tieferes Verständnis für das, was Wissenschaft ist, ihr niemals aufging, und sie hat nie einen wissenschaftlichen Gedanken gehabt.

Man hatte sie ebenso wenig im jüdischen Glauben, als in Geschichte und Geographie unterrichtet.

Sie äußert irgendwo, sie wäre wie der Baum im Walde aufwachsen und hätte nichts gelernt, Religion so wenig wie irgend etwas sonst. So bildete sie sich denn ihre eigene Religion, die mit der später von Schopenhauer in System gebrachten Verwandtschaft hat. Ihre Gedanken über einen Willen in der Natur, über das Glend der Welt, das Mitleid als die einzige Quelle der Moral sind den seinen verwandt. Ihre Religion war nicht ohne Mystik. Sie hegte große Bewunderung für Angelus Silesius und Saint-Martin; sie war eine leidenschaftliche Pantheistin, wie Goethe Pantheist gewesen. Sie zeichnet die Verse des deutschen Mystikers auf:

Alle Tugenden sind eine Tugend.
Schau, alle Tugenden sind ein' ohn' Unterschied,
Willst Du den Namen hor'n? Sie heiht Gerechtigkeit —

und schreibt darunter:

|321| Weil sie Wahrheit ist, Einfalt, Unparteilichkeit,
Selbstlosigkeit, Austeilung für alle.

Sie hielt den Blick immer auf das Einheitliche, auf das Ganze gerichtet. Es war, als ob ein Echo der Weltseele in ihrer Seele vibrierte. Sie schien prophetische Gabe zu besitzen, so richtig erschaute sie. Es lag etwas von einer Sibylle, einer delphischen Priesterin in ihrer Natur. Schade, daß ihre abgerissenen Worte uns Nachkommen so oft dunkle Orakelsprüche sind.

Sie war voll Nachsicht gegen die Schuldvollen, voll Sympathie für die Niederen, voll Mitleid mit den Armen und verachtete nur eines: die korrekte Mittelmäßigkeit — eine Gesinnung, die sie offen an den Tag legte, selbst auf die Gefahr hin, sich damit Feinde zu schaffen.

Sie blieb ledig und wurde ein altes Mädchen, doch ohne daß die Jahre eine Veränderung in ihrem Aussehen bewirkt oder die Macht, die sie ausübte, verringert hätten. Zehn Jahre stand sie in zärtlichstem Briefwechsel mit ihrem späteren Gatten, Varnhagen von Ense. Er war vierzehn Jahre jünger als sie, zuerst ein tapferer Offizier, später ein tüchtiger Diplomat, schließlich ein trefflicher, stark frondierender Schriftsteller; er mußte sich erst in Krieg und Frieden auszeichnen, ehe er, ohne Übersehen zu werden, daran denken konnte, als ihr Bräutigam aufzutreten. Ihn heiratete sie nun im Alter von 42 Jahren, und lebte noch 19 Jahre in vollkommen glücklicher Ehe mit ihm.

Entschiedene litterarische Bedeutung gewann Rahel dadurch, daß sie in Berlin die erste war, welche Goethes Bedeutung empfand und aussprach. Lange bevor sich über diese Lebensfrage der deutschen Kultur eine litterarische Meinung gebildet, war Rahel von Goethes Genius durchdrungen, von dessen Macht bezaubert, und einem jeden, mit dem sie in Berührung trat, verkündete sie daß, dieser Mann, der seinesgliechen nicht finde, der höchste Geist, der einsichvollste Ratgeber und Richter in allen Anlegenheiten des Lebens |322| sei. Das war zu einer Zeit, wo Goethe unter der Menge der Schriftsteller noch einer der vielen war, und andere im Rang Ruf weit Über ihn gestellt wurden. Lange ehe die Brüder Schlegel die unbedingte Autorität Goethes kritisch feststellten, hatte Rahel in ihrem Freundeskreise in Berlin den Kultus des großen Unverstanden denen und Verkannten bereits eingeführt, nach allen Seiten hin sein leuchtendes Wort gepriesen und seinen Namen als einen heiligen geweihten bezeichnet.

Sie ist, erst 24 Jahre alt, so glücklich ihn 1795 in Teplitz zu treffen. Aus einem Briefe David Veits an Rahel kann man ersehen, was Goethe über sie sagte: »Ja, es ist ein Mädchen außerordentlichem Verstand, die immer denkt, und von Empfindungen — wo findet man das? Es ist etwas Seltenes. O, wir waren auch beständig zusammen, wir haben sehr freundschaftlich und vertraulich mit einander gelebt.«

Zu Franz Horn äußerte Goethe: »Es ist ein liebevolless Mädchen; sie ist stark in jeder ihrer Empfindungen und doch leicht in jeder Äußerung . . . jenes macht, daß wir an ihr die große Originalität bewundern, dies daß die Originalität liebenswürdig wird.« . . .

Als Rahel dieses erfährt, schreibt sie: »Wieso kann er wissen, daß ich Empfindung habe? Niemand habe ich mich in meinem Leben weniger in irgend einer Art zeigen können, als ihm. Doch schweigen wir davon. Er ist Goethe. Und was ihm scheint und er sag, ist wahr. Von mir selbst glaub’ ich ihm . . . Wenn Sie ihn sehen, Horn, so grüßen Sie ihn von dem Menschen, der ihn imme angebetet, vergöttert hätte, auch wenn ihn niemand rühmte, verstände bewunderte. Und wenn er sich wunderte, daß ein gemäßigtes Mädchen ihm eine anscheinende Extravaganz sagen ließe, so soll er's nickt thun und lieber bewundern, daß sie ihn so respektierte, daß es einen Respekt gebe, der sie allein zurückhielte, esihm nicht zu sagen. Sagen Sie es ihm, es wäre nicht Affekation, sonder Pflammenweichheit. Überhaupt könnt' ich nicht dafür, daß die andern alle |323| affektierten, was ich im Ernst meine. Hab’ ich recht? Ja, ja, ich bet’ ihn an.«

Und nun geschieht nichts; es wird von Rahels Seite auch nicht der geringste Versuch gemacht mit Goethe in Verbindung zu treten, einen Briefwechsel oder dergleichen mit ihm anzuknüpfen. Nie spricht sie von seiner Person, immer nur von seinem Genie. Es vergehen 20 Jahre, ohne daß sie ihn zu Gesicht bekommt. Einmal, 1811, schickt Varnhagen an Goethe ein paar Aufzeichnungen Rahels über dessen Dichtungen. Goethe ist von dem Gelesenen betroffen, charakterisiert dessen Verfasser als eine merkwürdig auffassende, vereinende, nachhelfende, sufflierende Natur, die mit einem Schlage begreift — auf Rahels an Varnhagen gestellte Bitte aber erfährt er nicht, von wem die Handschrift stammt. Erst 1815, in der Nähe von Frankfurt, sieht Rahel Goethe wieder. Diese Begegnung hat etwas Rührendes. Goethe ist nun 66 Jahre alt. Er ist bei seiner Freundin Marianne von Willemer (der Suleika seines Diwans) aus dem Landgute Willemers, der Gerbermühle, zu Besuch. Rahel befindet sich in Frankfurt, und als sie ihn zufällig auf einer Spazierfahrt mit seinen Gastgebern erblickt, ruft sie in freudigem Schreck laut aus: »Da ist Goethe!«

Zwanzig Jahre waren, wie gesagt, dahingegangen. Es ist am Morgen des 8. September. Rahel hat etwas Augenschmerzen gehabt, ist später als gewöhnlich aufgestanden, steht im Negligee und bürstet ihre Zähne, als um ¼ 10 der Wirt kommt, um ihr zu sagen, es wäre ein Herr da, der sie zu sprechen wünsche. Er hat dem Mädchen eine Karte übergeben. Es ist die Goethes. Und aus Ehrfurcht, damit er nicht warte, nimmt sie sich nicht Zeit, sich ordentlich anzuziehen, sich hübsch zu machen. »Ich lasse ihn eintreten und nur so lange warten, als man den Zeit braucht, einen Unterrock überzuknöpfen. Es war ein Schwarzer Wattenrock, und so trete ich vor ihn. Mich opfernd, um ihn nicht einen Moment warten zu lassen. Dies nur blieb mir von Besinnung. Auch entschuldigte ich mich nicht, sondern |324| danke ihm! »Ich danke Ihnen,« sagte ich und meinte, er müsse wissen, wofür! daß er kam. Entschuldige mich nicht, denn ich meine, er muß wissen, daß ich ganz schwinde und nur er berücksichtigt wird. Nun denke ich in heftigster, ja komischer, quälender Reue anders.«

Ihr vernachlässigter Anzug, ihr Gefühl »von Ungrazie« drückten sie so nieder, daß sie nichts zu sagen vermochte, was für ihn Interesse haben könnte. Nach so langjähriger Liebe »und Leben und Beten und Beschäftigung« bekam sie ihn ein einziges Mal auf einige Augenblicke allein zu sehen, und dann ging es so: »Nun höre ganz,« schreibt sie an Varnhagen, »wie lächerlich ich bin. Als er weg war zog ich mich sehr schön an. Ein schönes, weißes Kleid mit hohem schönen Kragen, eine Spitzenhaube, einen Kantenschleier den Moskauer Shawl. Nun will ich Dir, wie Prinz Louis mir, sagen: »Nun bin ich Ihnen unter Brüdern zehntausend Thaler mehr wert; Goethe war bei mir.«"

Rahel, die nach zwanzigjährigem Harren, nach lebenslanger Bewunderung Goethe lieber in wattierter Jacke empfängt, ehe sie ihn fünf Minuten warten läßt, das ist, wie jedermann einräumen wird, ein Höhepunkt weiblichen Heroismus. Diese Szene prägt sich nach der Lektüre vieler Bände Rahel-Litteratur in die Erinnerung als die entscheidende unauslöschlich ein. Sie giebt einen Maßtab für ihre Ehrfurcht, ihr Verständnis und ihre Kraft, selbst berechtigteste Eitelkeit ihres Geschlechtes zu überwinden.

Schade, daß ein Wesen mit so seltenen Eigenschaften jedes Talentes aller gestaltenden Kraft, aller Plastik entbehrt, und daß ihre seinen Einfälle und tiefen Ideen als bloße Bemerkungen in Briefen und Aufzeichnungen von privater, für die Nachwelt gleichgültiger Natur zerstreut sind. Heute dürften nur für die Frauensache begeisterte Damen es über sich gewinnen können, größere Partieen von ihr in einem Zuge zu lesen.

Ihr Wesen war eben nicht von künstlerischer Art. Es war reine Wahrheitsliebe. Sie habe, sagt sie irgendwo, in diesen großen |325| allgemeinen Weltelend sich Einem Gott, der Wahrheit, geweiht, und so oft sie errettet worden, sei es durch ihn geschehen. Sie war in ihren Freundschaftsverbindungen fest und zuverlässig, doch selbst auf die Gefahr hin, sich in den Augen anderer herabzusetzen, gestand sie, wenn ein Gefühl in ihrem Innern erloschen war, es ohne sich dessen zu schämen ein. Mit ihrer Wahrheitsliebe stand ihr schlichtes Wesen in Übereinstimmung. Sie versuchte nicht sich den Anschein zu geben, als wäre sie über die gewöhnlichen Schwächen der Menschen erhaben, sondern bekannte frei ihre Naschhaftigkeit, ihre Begier, die neuesten Pariser Moden zu erfahren. Und sie hatte das verdiente Glück, eine teils angeborene, teils erworbene Harmonie in sich zu empfinden, sich des sicheren, inneren Zusammenhanges zwischen ihrem Gefühlsleben und ihren Überzeugungen bewußt zu sein — daher ihr hohes, berechtigtes Selbstgefühl. »Ich töte die Pedanterie auf dreißig Meilen in der Runde,« sagte sie.

Ihr teilten sich die Menschen nicht in kluge und dumme, noch auch in gute und böse, sondern in solche, die sie selbst sind, und solche, die es nicht sind.

Daher hatte sie wie selten jemand Sinn für das Natürliche, das Ursprüngliche, wo immer sie es treffen, wie bescheiden es auch austreten mochte, daher bewahrte sie selbst, bei allem ihrem durchdringenden Verstande, eine Naivetät, eine Frische der Auffassung und des Ausdrucks, wie man sie bei einem genial angelegten Kinde trifft.

Als sie auf der Höhe ihres Ansehens stand, war sie genötigt, sich gesellschaftlich unzugänglich zu machen, sich mit Verschanzungen aller Art zu umgeben, um sich die Freiheit wahren zu können, ihren Umgang zu wählen. Sie wählte stets Originale.

Einer ihrer näheren Bekannten, Graf Tilly, schreibt ihr: »Ich habe Ihnen tausend Komplimente zu bestellen, ehe ich schließe. Der eine bewundert Sie. Der andere ist Ihnen ergeben. Ein dritter staunt, wenn er Sie hört. Ein vierter ist ganz betrübt, wenn er Sie« |326| verläßt, und sei es auch nur in einem Briefe, der endlich geschlossen werden muß: Alle diese aber bin ich in einer Person.«

Rahel hat viel über Originalität nachgedacht. Sie bemerkt an irgend einer Stelle: »Wenn jemand sagte: Sie glauben wohl, es ist so etwas Leichtes, originell zu sein! Nein, man muß sich Viel Mühe geben und es kostet ein ganzes Leben voll Anstrengung, so würde man ihn nur für verrückt halten. Und doch wäre diese Behauptung ganz wahr. Originell wäre gewiß jeder Mensch, wenn die Menschen nicht beinahe immer ganz unverzehrte Sprüche in ihren Kopf annähmen, und auch so wieder hinausließen.«

Es hatte in dem deutschen Geistesleben auch vor Rahel hervorragende Frauen gegeben, so zuletzt die von den Romantikern in ihr Gewebe mitverwobenen, wie Caroline, Dorothea und die anderen — allein Rahel war das erste, große, moderne Weib der deutschen Kultur und die Erste, die ihrer Ursprünglichkeit sich vollbewußt war.*)*

*) Rahel, em Buch des Andenkcns fur ihre Freunde, I—III; Brieswechsel zwischen Varnhagen und Rahel, I—II; Varnhagen, Galerie von Vildnissen aus Rahels Uingang, I—II; Ludmilla Assing, Aus Rahcls Herzenslebcn.

Das Streben des Zeitalters nach Originalität hatte gleichwohl seine Gefahr. Ich denke dabei nicht an die, der Affektation zu verfallen. Es giebt zu allen Zeiten arme, affektierte Leute, die sich für originell halten, wenn sie die Suppe mit dem Stiefel löffeln. Aber die Gefahr lag nahe durch ewige Selbstprüfung, Selbstbespiegelung, die eigenen flüchtigen oder gewöhnlichen Empfindungen für etwas Merkwürdiges zu halten und auf diese Weise einer unaffektierten Unnatur zu verfallen, wie es z. B. bei der schönen Henriette Herz und nicht wenigen ihres Kreises der Fall war. Die Herzensergüsse riechen hier nach Lampenöl und Tinte. Die Feuerschrift der Originalität sieht anders aus.

Sie ist es, die uns aus Bettinas »Goethes Briefwechsel mit einem Kinde« entgegenleuchtet. Diese Briefe Bettinas tragen die Flammenschrift der Leidenschaft; auf sie paßt der Heinesche Aus-|327|druck »singende Flammen«. Bettina von Arnim, die Schwester Clemens Brentanos, die Gattin Achim von Arnims, durch Verwandtschaft wie Heirat eine Angehörige des romantischen Kreises, gehört als Schriftstellerin der Periode des jungen Deutschland an. Während bei Rahel die Bewunderung für Goethe voll Scheu und Herzklopfen war, eine Verehrung in tiefem Ernste, mit stiller Würde, tritt sie bei Bettina als ein halb sinnliches, halb geistiges Einschmeicheln, als zudringliche Liebenswürdigkeit, klettenartiges Anhängen, als der kühne Flug der Begeisterung Über alle Berge auf.

Mit Goethe aus derselben Stadt gebürtig, tritt sie durch seine Mutter im Jahre 1807 mit ihm in Berührung, zwar bereits 28 Jahre alt, doch mit der Haltung eines Kindes, oder richtiger, als ein doppeldeutiges Wesen, halb Kind, halb Weib. Sie kommt nach Weimar, erhält von Wieland ein überflüssiges Einführungsbillet an Goethe, streckt die Hände nach ihm und weiß nichts mehr von sich. Er setzt sie sich gegenüber auf das Sopha, spricht von dem Tode der Herzogin Amalie, von dem sie wohl in der Zeitung gelesen. »Ach! sagte ich, ich lese die Zeitung nicht— So! — ich habe geglaubt, alles interessiere Sie, was in Weimar vorgehe. — Nein, nichts interessiert mich, als nur Sie, und da bin ich viel zu ungeduldig in der Zeitung zu blättern. — Sie sind ein freundliches Kind. — Lange Pause.« Da springt sie vom Sopha auf und fliegt ihm an den Hals.

Dieser einzige Zug und man hat ihre Haltung Goethe gegenüber im Gegensatze zu derjenigen Rahels. Sie besaß von Kindheit auf jene jugendliche Kühnheit, die sonst häufiger bei Knaben, als bei Mädchen anzutreffen ist. In Marburg zeigt man noch heute einen Turm, auf dem sie, nachdem sie ihn bestiegen, die Leiter hinter sich nachgezogen hatte, um allein zu sein. Sie hatte die Geschmeidigkeit einer Gauklerin in allen ihren Gliedern, zugleich etwas von Mignons kindlichem, unschuldigen Enthsiasmus. Sie ist Mignong ins wirkliche Leben übertragen, mit all deren Anmut, aber weit geringerer Tiefe.

|328|Bettina war 50 Jahre alt, als 1835 ihr Buch »Goethes Briefwechsel mit einem Kinde« erschien. Arnim war 1831 gestorben Goethe 1832. Sie hatte ihre Jugendbriefe an letzteren aus der Zeit von 1808—1811 zurückerhalten Zu diesem Zeitpunkt war nämlich das Verhältnis infolge einer Unhöflichkeit, welche sie sich gegen Goethes Frau zu schulden kommen ließ, abgebrochen worden. Sie behandelte nun diese Briefe frei, freier als Goethe in »Dichtung und Wahrheit« sein Leben behandelt hatte, demjenigen Ausdruck gebend, was sie damals empfunden, hinzudichtend, was ihrer nunmehrigen Meinung nach hätte empfunden werden sollen. Sie verlieh dem Verhältnisse eine leidenschaftlichere Färbung, als es in Wirklichkeit gehabt, in tieferem Sinne jedoch hielt sie sich an die Wahrheit. Sofort nahm man den Briefwechsel für durchaus authentisch an. Doch da die Kritik durch den Umstand herausgefordert wurde, daß Bettina Gedichte, die erwiesenermaßen anderen Frauen gewidmet waren, für an sich gerichtet ausgiebt, kam eine Zeit, wo die Briefe in ihrer Eigenschaft als historische Aktenstücke allen Kredit verloren und man alles in ihnen Mitgeteilte als erdichet betrachtete. Als jedoch Löper 1879 Goethes echte Briefe an Bettina veröffentlichte, sah man, daß dieselben bei ihr beinahe wortgetreu abgedruckt waren. Nur einige Grüße waren weggelassen, und das »Sie« war durch »Du« ersetzt. Du kommt thatsächlich nur in einem einzigen Briefe vor, allerdings dem einzigen, den Goethe nicht diktiert hat; ihre Änderung war also nicht unberechtigt. Goethe hatte die Gewohnheit, Gedichte, die er eben verfaßt hatte, seinen Briefen beizuschließen. Bettina war eingebildet genug, die Gedichte an Minna Herzlieb — selbst die auf den Namen Herzlieb anspielenden, welche sie demzufolge nicht versteht — an sich gerichtet zu wähnen, desgleichen die Gedichte an Marianne von Willemer. Es giebt das ein zuweilen possierliches, immerhin aber unschuldiges Mißverständnis; nicht zu entschuldigen ist es hingegen, daß sie diese Gedichte in Prosa auflöste und diese Prosa ihren früheren Briefen enfügte, um so den Schein hervor-|329| zurufen, als hätte Goethe nur ihre Gedanken und Gefühle in Reime gebracht.

Im übrigen ist alles, was sie von ihrem Verhältnisse zur Frau Rat, von ihrem Eifer mitteilt, Beiträge zur Lebensgeschichte Goethes als Kind, welche »Dichtung und Wahrheit« einleiten könnten, von den Lippen seiner Mutter zu lesen, ebenso was sie von Beethoven und dessen Verhältnis zu Goethe erzählt, im wesentlichen die reine Wahrheit.*)*

*) Briefe Goethes an Sophie von La Roche und Bettina Brentano nebst dichterischen Beilagen. 1879.

Wer in jugendlichem Alter, mit empfänglichem Sinn für dichterische Begeisterung dieses Werk Bettinas gelesen, wird niemals den Eindruck vergessen, den er das erste Mal von diesem Stil empfing. Er hat eine Lebensfülle, eine Keckheit, eine Feinheit bei aller Ausgelassenheit, einen rhythmischen Fluß und Klang, der geradezu erstaunt und hinreißt. Wenn man von Rahels seltsamen Hieroglyphen kommt, von dieser dunkeln Bilderschrift, hinter welcher man tausend Geheimnisse ahnt, die einem jedoch nie voll verständlich wird, weil das den Kommentar bildende leibhafte Leben entschlummert ist, so wirkt es erquickend, in diesem frischen Quell naiver, reizvoller Begeisterung ein Bad zu nehmen. Rahel ist tiefer und wirklichkeitstreuer. Doch es ist ein gar zu schönes Ding um das Talent. Es thut so wohl. Man kann und muß ihm viel zu gute halten.

Zur Zeit dieses Briefwechsels ist Bettina 23 bis 25, Goethe 58 bis 60 Jahre alt. Ihre Leidenschaft ist demnach nicht die allgemein menschliche, wie ein junges Weib sie einem jungen Manne gegenüber fühlt. Sie ist in derselben großgezogen; diese Leidenschaft ist ein Erbe von ihrer Mutter Maxe Brentano, von welcher Züge auf Werthers Charlotte übergingen. Sie liebt Goethes Mutter, wie junge Weiber stets die Mutter des Geliebten lieben; sie ist ihr so herzlich dankbar, daß sie ihn geboren — »wie hätte ich ihn sonst kennen gelernt!« Die Schwärmerei für den Sohn gelangt so lange |330| in den Briefen an die Mutter zum Ausdrucke, bis sie ihn erstenmale gesehen und nun ihre Briefe an ihn selbst richtet.

Von jener ersten Umarmung an betrachtet sie ihn als den ihren. Sie schreibt an seine Mutter: »Ich glaub, daß es eine Art und Weise giebt, jemand zu besitzen, die niemand streitig machen kann; diese üb ich an Wolfgang, keiner hat es vor mir gekonnt, das weiß ich, trotz allen seinen Liebschaften, von denen Sie mir erzählt. Die Leidenschaft ist ist ja der einzige Schlüssel zur Welt, durch die lernt der Geist alles kennen und fühlen, wie soll er denn sonst hineinkommen?« —

Jemand hat diese Briefe Schiffen mit reichen Ladungen verglichen. Goethe ist der Leitstern auf allen Fahrten derselben.

Ein Schwärmen ist ihr Denken an ihn. »Ich wollt, ich fäß an seiner Thür, ein armes Bettelkind, und nähm ein Stücken Brot von ihm, und er erkennte dann an meinem Blick, weß Geistes Kind ich bin, da zög er mich an sich und hüllte mich in seinen Mantel, damit ich warm würde. Gewiß, er hieß mich nicht wieder gehen, ich dürfte fort und fort im Haus herumwandeln, und so vergingen die Jahre und keiner wüßte, wer ich wäre, und niemand wüßte, wo ich hingekommen wär, und so vergingen die Jahre und das Leben, und in seinem Antlitz spiegelte sich mir die ganze Welt, ich brauchte nichts anderes mehr zu lernen.

Es war voriges Jahr im Eingang Mai, da ich ihn sah zum erstenmal, da brach er ein junges Blatt von den Reben, die an seinem Fenster hinaufwachsen, und legt’s an meine Wange und sagte: das Blatt und Deine Wange sind beide wollig — und ich saß auf dem Schemel zu seinen Füßen. O, wie oft hab ich an dieses Blatt gedacht, und wie er damit mir die Stirne und das Gesicht streichelte, und wie er meine Haare durch die Finger zog und sagte: ich bin nicht klug; man kann mich leicht betrügen, Du hast keine Ehre davon, wenn Du mir was weis machst mit Deiner Liebe. — Das alles war kein Geist und doch hab ich's tausendmal |331| in Gedanken durchlebt, und werde mein lebenlang dran trinken, wie das Aug das Licht trinkt — es war kein Geist, und doch überstrahlte es mir alle Weisheit der Welt.«

Es ist Poesie in dieser Schwärmerei und in dem Ausdruck, den sie seiner geistigen Allgegenwart bei ihr und ihrem Sehnen, ihrer verschwiegenen Eifersucht auf die berühmten Frauen, welche wie Madame de Staël seine Bekanntschaft machen, giebt. Es liegt Poesie in ihrem Kummer, sich ihm nicht nützlich machen zu können, und in ihrem lebhaften Gefühl ihres Wertes, ihrer Eigenart:

»Ich muß Dir erzählen, was ich nachts von Dir geträumt habe. Häufig hab ich denselben Traum. Es ist, als sollte ich vor Dir tanzen. Ich hab ein Gefühl, daß mir alles gelingen werde, die Menge umdrängt mich. Ich suche Dich, dort sitzest Du frei mir gegenüber; es ist, als ob Du mich nicht bemerktest. Jetzt trete ich vor Dich, goldbeschuhet und die silbernen Arme hängen nachlässig, und warte; da hebst Du das Haupt, Dein Blick ruht auf mir unwillkürlich, ich ziehe mit leisen Schritten magische Kreise, Dein Aug verläßt mich nicht mehr, Du mußt mir nach, wie ich mich wende, und ich fühle einen Triumph des Gelingens — alles, was Du kaum ahntest, das zeig ich Dir im Tanz, und Du staunst über die Weisheit, die ich Dir vortanze, bald werfe ich den lustigen Mantel ab und zeig Dir meine Flügel, und steig auf in die Höhen; da freu ich mich, wie Dein Aug mich verfolgt, dann schweb ich wieder herab, und sink in Deine umfassenden Arme.«

Es ist treffende Feinheit in diesem Sinnbilde und Grazie in dieser Schilderung. In diesem Schwärmen Bettinas für Goethe liegt etwas von jener selben Steig- und Kletterlust, die sie als Kind an den Tag gelegt. Sie kletterte der Statue des großen Olympiers auf die Schulte, zog die Leiter empor und faß nun allein dort oben, in der Monne schwelgend, ihm so nache zu sein. Wodurch jedoch Bettina dem jungen Deutschland eine ideale Gestalt, eine Walküre wurde, war nicht ihre Begeisterung für Goethe als solche. |332| Was ihr diese Jugend gewann, das war der politische Freisinn, der in ihren Briefen hervorbrach, für den sie den ruhigen Mann in Weimar vergebens zu gewinnen strebte; es war ihre feurige Schwärmerei für den Freiheitskampf der Tiroler gegen die Franzosen, für die irdische Wohlfahrt der Menschheit im allgemeinen, die Tilgung der Armut, des sozialen Elends. Es machte einen tiefen Eindruck, eine so leidenschaftliche Anbeterin Goethes, unabhängiger als Rahel, Beethovens Republikanismus als größer, würdiger preisen zu sehen, denn Goethes Fürstendienertreue. Sie ist bestrebt, Goethe mit Beethoven zusammen zu bringen und wünscht, sie könnte Wilhelm Meister in die Tiroler Berge zu Andreas Hofer schicken, damit er dort größere Begeisterung fühlen, männlichere That üben lerne.

Unter Friedrich Wilhelm 1V. stand sie anfangs dem Hofe nahe. Ihr Verhältnis zum Könige war ein offenes, vertrauliches. Sie hatte, wo es galt, dem Talente aufzuhelfen, Elend zu mildern, fast ebenso großen Einfluß auf ihn, wie Humboldt.

Nicht lange nach seinem Regierungsantritte trieben sie ihre Gefühle, öffentlich als Staatssozialistin aufzutreten. Sie gab 1843 die Schrift »Dies Buch gehört dem König« heraus, in welcher sie den König auffordert, der Not bei seinen Unterthanen abzuhelfen. Von Jugend auf hatte sie sich als die natürliche Verteidigerin und Fürsprecherin der Unglücklichen betrachtet. Verlassene kummervolle Menschen zogen sie magnetisch an, sagt Hermann Grimm, der als ihr Schwiegersohn sie genau gekannt hat. Dem Drange anderen zu helfen, sowie ihren Kindheitseindrücken aus Revolutionszeit entsprangen ihre politischen Sympathieen, die in naiver Zuversicht, bei dem König Unterstützung zu finden, ohne die geringste Scheu aussprach.

Sie hatte 1831, als sie Cholera in Berlin raste, sich unerschrocken der Armen und Notleibenden angenommen. Von der gedrückten Stellung des Berliner Arbeiters ausgehend, kam sie auf |333| den Gedanken, das ganze Volk sei krank und bedürfe der Hilfe. Freiheit war ihr stets ein magisches Wort gewesen. Ihrer Meinung nach kam es einzig darauf an, daß von der rechten Stelle aus ein »Es werde Licht!« ertöne — und die Freiheit werde erstehen und den Reigen führen, »und alles Fühlen und Phantasieren der Menschheit sind dann ein harmonisch erklingender Marsch und wehende Fahnen des Triumphes, denen die Völkerbegeisterung nachzieht.«

Sie schrieb das Buch, welches sie mit einer bescheidenen Parabel dem Könige zueignete, in Gesprächsform. Zumeist führt Goethes Mutter das Wort. Es verrät sich viel warmes Gefühl in dem Werkchen, auch ist eine Menge Material gesammelt, den Notstand der niederen Bevölkerung zu beleuchten. Doch zeigt es einen zu geringen Grad von politischer Einsicht, als daß man sich noch heutigentags hindurchzuarbeiten vermöchte.

Die Ausführungen der Verfasserin kulminieren in dem begeisterten Ausruf: »Unser Signum ist die Fahne der Freiheit; die verbreitet hellen Glanz mitten in den Zeiten der Nacht, ihr Glanz blendet und wird denen am Ufer ein wahrer Schrecken sein, während wir jauchzen und fröhlich sind . . . Gefahren? Die Freiheit kennt keine Gefahren! ihr ist alles möglich! Das Ungewitter, der gewaltigste aller Stürme, ist Großadmiral auf unserer Barke.«*)*

*) Dies Buch gehört dem König. S. 520, 531.

Man begreift, daß ein derartiger Ton am damaligen preußischen Hofe nicht eben angenehm berührte. Das Buch machte Aufsehen, zerstörte jedoch Bettinas freundliches Verhältnis zu dem Könige. Da es, wie zu erwarten stand, den politischen Unwillen der Bevölkerung nur erhöhte, belegte man, eine Fortsetzung dieser Arbeit befürchtend, ihr nächstfolgendes Buch (über Clemens Brentano) unter einem gesuchten Vorwande mit Beschlag.

Von dem jungen Geschlechte wurde indes Bettina, wie bereits angedeutet, seit lange schon einstimmig gehuldigt. Man lese |334| Gutzkows Schilderung seines ersten Besuches bei ihr, Mundts Darstellung ihres Wesens, Kühnes dichterisch angehauchte Charakteristik. Ja selbst Robert Prutz, so strenge er sonst gegen alle die Mitglieder und Vorbilder des jungen Deutschland ist, reiht sich der Zahl ihrer Bewunderer an. Bettinas Briefe, sagt Prutz, dieses letzte, glänzende Auflodern der alten Romantik, sind das prasselnde, knatternde Feuerwerk, mit welchem die Romantik ihr üppiges Fest beschließt. Aber sie sind auch zugleich der Scheiterhaufen, in welchem sie sich selbst verzehrt, die Feuersäule, die über ihrer Leiche emporschlägt. — Er hat die Empfindung, daß diese Feuersäule ihm und den an Nachkommenden den Weg zeige.

Die dritte Frau, die auf das Geschlecht von 1830 tiefen druck machen sollte, war Charlotte Stieglitz, geb. Willhöft, die Tochter eines Kaufmanns zu Leipzig. Sie war als Kind eine stille, träumerische Natur, später von nachdenklichem, nonnenhaftem Wesen. 1822 kam der 21jährige Heinrich Stieglitz nach Leipzig, um dort Philologie zu studieren. Er war in Göttingen, ziemlich unschuldigerweise, in die gerichtlichen Verfolgungen gegen die Demagogen eingezogen gewesen. Er war eine hübsche Erscheinung, hatte etwas Verwegenes, Leidenschaftliches in seinem Äußern — und er war Poet. Charlotte zählte sechzehn Jahre. In ihrer regelmäßigen Schönheit lag jene Verklärung, welche den alten Germanen bei den Frauen, denen sie prophetische Gabe beilegten, als Ausdruck des Übernatürlichen galt. Die Stirne hoch, klar, gedankenvoll sich wölbend, von braunen Locken umwallt, das Haar turmartig aufgebaut, eine scharfe Profillinie mit länglicher, schmaler Adlernase, ein reizender Mund, große, braune strahlende Augen, aus denen Tapferkeit sprühte. Sie sprach stets in gedämpftem Tone, sang jedoch mit voller, klarer Stimme

Haben die Dichter der neueren Zeit den Menschen, besonders den Frauen, eines einzuschärfen nicht unterlassen, so ist es dies, daß ein Dichter ein höheres Wesen sei. Als Charlotte sich in den jungen, schönen Poeten verliebte, befand sie sich in einem Zustande wonniger |335| Verzückung. Der Gedanke, die Geliebte eines wirklichen, leibhaften Dichters zu sein — welche Seligkeit! Und sie hat ihm jede Regung ihrer Seele, alle ihre Gedanken, alle ihre Fürsorge geweiht, von dem Augenblicke an, wo sie ihn zum erstenmale sah, bis da sie zwölf Jahre später sich um seinetwillen den Dolch ins Herz stieß. Noch ehe sie seine Braut war, trug sie sich schon fortwährend mit dem Wunsche, etwas recht Schweres, recht Großes für ihn vollführen zu können, ohne daß er jemals erführe, von wem es ausgegangen sei. In ihrem Wesen lag jenes weiblich Dienende, Mütterliche, hausfraulich Verständige, wie zugleich jene muntere Beherztheit, die zu den besten Eigenschaften der weiblichen Natur gehört. Sie machte den Eindruck, lauter Milde und Hoheit zu sein.

Und so kam es, daß sie einen unmännlichen Leipziger Studiosus mit dem Männerideale, von dem sie träumte, ein kleines untergeordnetes poetisches Talent mit einem Vertreter der großen Kunst verwechselte. Um heiraten zu können, mußte Stieglitz Beschäftigung suchen. Er wurde 1827 als Gymnasiallehrer und zugleich als Assistent an der Kgl. Bibliothek in Berlin angestellt, keuchte aber unverhältnismäßig unter der Last, die ihm diese Stellung aufbürdete. Er war dunkel brünett, von heftiger Gemütsart, voll Ehrgeiz sich als Dichter auszuzeichnen, gleichwohl aber von geringer künstlerischer Begabung, ein Bücherwurm, wirklichkeitsscheu, dabei ohne Ausdauer, ohne Widerstandskraft im Kampfe des Lebens: einer von jenen, welche Mißgeschick fällt. Er hatte das Äußere eines genialen: Menschen, war aber im Innern vollkommen kraftlos.

Es ist das ein tragisches Mißverständnis von ihrer Seite. Sie wähnt, er sei eine unbändige Natur. »Leugne es nicht,« schreibt sie ihm, »Du hast große Anlage zu einem Räuberhauptmann.«

Sie nennt ihn ihren schwarzen, wilden Dolchschwinger mit den funkelnden Augen. Sie sind lange verlobt, wohnen in verschiedenen Städten. Seine Briefe sind liebenswürdig, natürlich und warm, doch vermißt er nur wenig ihre Nähe. Sie, die heißblütigere, |336| schmachtet indes nach ihm, nach seiner Person. Sie war der unbändige Naturmensch, er der reine Büchermensch — so weit davon entfernt ein Räuberhauptmann zu sein, wie nur irgend ein Bibliothekar der Welt.

Es fehlte ihm nicht an Fähigkeiten. Zu gleicher Zeit wie Victor Hugo fühlt er sich dichterisch zum Morgenlande hingezogen. In seiner Bibliothek studiert er mit möglichster Gründlichkeit die Kultur der orientalischen Reiche. Die Frucht dieser Studien sind diie drei Bände »Bilder des Orients«, die er so mühsam zusammengedichtet. Es ist viel Niedliches, Anschauliches darin. Es war eine Ungerechtigkeit, daß sie gänzlich übersehen wurden, doch das Gefühl, welches Türken- und Persergedichte, diese Tragödieen von Stambul und Szenen aus Ispahan, diese keineswegs schlechten Gedichte vom griechischen Freiheitskriege beseelt, ist allzu zahm; eben das stark Persönliche, das Wilde fehlt ihnen, das Charlotte in Heinrich Stieglitz sah. Es ist alles allzu litterarisch.

Als sie 1828 getraut worden waren und sich auf die Hochzeitsreise begeben wollten, kaufte Charlotte ihrem Bräutigam auf dessen Wunsch eine Reisewasse, einen Dolch, denselben, mit dem sie sechs Jahre später ihrem Leben ein Ende machte. Nach der Hochzeit folgt für Charlotte nur eine ganz kurze Zeit ungetrübten Glückes. Sie geht in dem Wirken ihres Mannes völlig auf und empfindet tief den Jammer, daß er — das Genie — so viel Zeit und Kraf an die Bibliothek und die Unterrichtsstunden verschwenden müsse. Ihr ganzes Leben geht mit Briefschreiben dahin, um ihm bessere Verlhältnisse zu schaffen; bald wendet sie sich an ihre reichen, vornehmen Verwandten in Rußland, bald an Minister, Geheimräte und andere Gönner und Protektoren. Sie spornt ihn an. Sie weiß jedes seiner Gedichte auswendig, parodiert auch eines mit allerliebster Schelmeri. Als ihm eine Szene in seinem Trauerspiele »Selim III.« lange nicht glücken will, tritt sie ihm eines Tages bei seiner Heimkehr entgegen, lächelnd auf den Schreibtisch deutend, wo diese Szene |337| vollständig ausgearbeitet liegt. Es ist der ergreifende Dialog zwischen der Mutter des Sultans und dem Arzte im dritten Akt.

Es überkam sie dann und wann eine Stimmung, welche sie Champagnerstimmung nennt; und es that ihr weh, daß dieselbe bei ihm sich nicht auch einfinden wollte. Einmal begleitet sie ein Geschenk von sechs Schreibfedern mit einem Gedicht, worin sie ihn bittet, er möge flink entschlossen sein, nicht allzu lange grübeln, bevor er beginne:

Gieß ein Füllhorn aus mit Früchten,
Blüt’ und Früchte gieb zugleich,
Weisheit sei in Deinem Dichten,
Witz und Jugend mach’ es reich.
Menschen laß uns drinnen finden
Menschen, die gelebt, gedacht,
Laß von Lieb Dich warm entzünden
Und von Zorns Gewitternacht.

Doch er, in dessen Seele sie stets das Mächtige, Titanenhafte, das ihm nur nicht über die Lippen will, zu finden glaubt, ist unfruchtbar. Es ist nicht allein der Umstand, daß er nicht mitteilsam ist; er ist nahe daran, in Schwermut zu verfallen, zuweilen mehr als bloß nahe daran. Ihren Anspornungen begegnet er mit Stumpfsinn. In einem ihrer Briefe heißt es: »O, Heinrich, laß uns zuweilen unkonsequent sein, hell auflodernd, himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt, nur um Gotteswillen nicht stumpf!« Man fühlt aus diesen Worten die Geistesverwandte Rahels, Rahels Bewundererin heraus.

Von den Tagesmühen und der Sterilität seines überschätzten Talents tief verstimmt, lebt er dahin, bald gereizt aufbrausend, bald in schwermütige Teilnahmlosigkeit versinkend. Unaufhörlich sucht und forscht sie nach Mitteln gegen dies dumpfe Hinbrüten. Nun glaubt sie zu wissen, was die Ursache ist. Er steht zu vereinsamt, es fehlt ihm der Verkehr mit Frauen, der ihm Impulse böte, und sie ist nicht eiferfüchtig. Sie schreibt (Oktober 1834): »Ich möchte wohl, Heinrich, Du feßtest Dich mit der Zeit mehr in Korrespondenz mit echten Frauen. Echte Frauen sind des Dichters wahres Publikum. Es |338| würde Dir interessant fein, wahr und offen zu vernehmen, wie sie über Dich, wie über Deine Werke denken und fühlen. Du würdest daraus manches abnehmen, vieles lernen und gewiß Dich daran erquicken und angenehm zerstreuen mit Nutzen.«

Sie will mit ihm Reisen unternehmen, weit fort, nach Petersburg, nach Finland gehen. Er giebt seine Stellungen auf. Sie reifen. Nichts nützt.

Vor dem Wasserfall Imatra in Finland stehend, sprict sie im Juli 1833 zu Stieglitz die merkwürdigen Worte: »Ist das Ganze nicht wie ein großer Gedanke, der sich in diese Felseneinsamkeit verloren? Wogende Gefühle und Donnerstürme, das wären angemessene Akkompagnements zu diesem Wogensturz, aber denk’ Dir mal das Lied vom kleinen Veilchen hierher — wie winzig! und an sich doch so schön. So verlangt die wogende Zeit gewaltige Lieder. Du wirst sie gebem!«

Im Oktober 1833, als er immer und immer wieder über die kleinen Nadelstiche des Lebens klagt, erwidert sie (wie er sich es notiert hat): »Ich habe Dich vielfach in dieser Hinsicht beobachtet und bin zu der Überzeugung gekommen, daß, wer’s recht gut mit Dir meint, der müßte ordentlich darauf ausgehen, Dir rechten tiefen Schmerz zu bereiten. Nichts thut Dir wohler. Nichts fördert Dich mehr in Dir selber.«

Nach Art Gemütskranker konnte Stieglitz manchmal äußerst heftig werden, um dann wieder in sein gewöhnliches stummes, beinahe tierisches Brüten zu versinken. Eines Tages auf einem Spaziergange erschien er so völlig geistesabwesend, so abgestumpft gegen alles, daß sie ihn scheinbar verließ, um zu beobachten, ob er, wenn er es bemerkte, sich ermannen würde. Er bemerkte es nicht. — Es hätte ihr eine Mahnung sein können, daß auch ihr endgültiger Hingang nicht im stande sein würde, ihn aufzurütteln; allein sie ging an dieser Mahnung achtlos vorüber.

Beständig fühlte sie, die leidenschaftlich an den die Zeit zunächst beschäftigenden Fragen Anteil nahm, den Drang in sich; ihn ins |339| Getriebe des Lebens zu reißen. Sie meinte, der Dichter müsse in steter Wechselwirkung mit der umgebeuden Welt leben. So sagte sie eines Tags zu ihm: »Ich kann ordentlich mit einem Heimweh auf Deine geistige Wiedergeburt hinblicken. Sie wird wiederkommen, gewiß, sie wird wiederkommen. Könnt’ ich nur, wie ich wollte, sie zu beschleunigen — und wäre es durch einen Kaiserschnitt — aber wenn er mißlänge!« Und im Dezember 1834 notiert sie sich die Bemerkung, daß mit dem Augenblicke, wo Schiller in das Leben Goethes tritt, dieses Leben an Reichtum gewinne, daß aber Goethe bei dem Tode seines Freundes mehr hätte gewinnen können, mehr hätte gewinnen müssen, wenn er nicht seine beliebte Manier des Abthuns eines Schmerzes auch hier diktatorisch angegewendet hätte. Er hätte ihn in sich aufnehmen müssen, unverlöschlich — und eine neue Jugend wäre seinem Schaffen daraus erblüht.

In diesem Monate hatte sich der Lebensüberdruß bei Stieglitz aufs höchste gesteigert. Seine Krankheit äußerte sich nunmehr in vollständiger geistiger Stagnation, in blöder Ausdruckslosigkeit. Vergebens flehte sie ihn oft wie ein Kind an, doch lieber wie ehemals zu lärmen und zu toben, als so furchtbar in sich zusammenzusinken. Da beschloß sie denn jenes äußerste Mittel zu ergreifen, das in ihrer Unschuld, ihrer Überspanntheit ihr als dasjenige, welches erprobt werden müßte, erschien, ihm nämlich einen großen, wahren Schmerz zu bereiten, der seinen Genius wieder erwecken und seiner Dichtung neuen Inhalt geben würde.

Den 29. Dezember 1834, als sie am Abende heimkehrend sich noch zwei Stunden allein wußte, warf sie beim Eintritt in ihre Wohnung ihren kurzen Pelzmantel, ihre Boa auf den Boden, eilte in ihre Schlafkammer, versperrte die Thüre zur Küche, in der sich das Mädchen befand, entkleidete sich, wusch sich, legte ein weißes Nachtgewand an und schrieb einige Zeilen an ihren Heinrich, worin sie dem Glauben Ausdruck giebt, es werde aus dem Unglücke ihm neues Leben sprießen; sie schließt mit der Ausforderung, daß er |340| nun nicht schwach, sondern ruhig und stark und groß sein möge. Dann streckte sie sich auf ihr Lager hin und stieß sich mit fester, sicherer Hand den Dolch von ihrer Hochzeitsreise in die Brust.

Auf den ersten Blick scheinen diese drei Frauen, Rahel, Bettina, Charlotte, die alle im Jahre 1835 berühmt werden, nichts miteinander gemein zu haben. Rahel stirbt im Jahre 1833 einundsechzig Jahre alt; sie gehört, zufolge ihres eigentlichsten Lebenswerkes, des ersten, energischen Hervorhebens der Bedeutung Goethes, ebenso sehr dem vorigen, als diesem Jahrhunderte an. Bettina, die um vierzehn Jahre jünger ist, tritt erst ein Jahr nach Rahels Tode auf; sie vereinigt die hochgradigste Schwärmerei und die ganze Unwahrhaftigkeit der Romantik mit den reformatorischen Tendenzen des jungen Deutschland. Charlotte endlich vollbringt nichts, als daß sie den Tod giebt, was Frauen zu allen Zeiten gethan, wenn auch niemals aus ebendemselben Beweggründe.

Doch es giebt hier tiefer liegende gemeinsame Züge. Vor allem die Unruhe, die dem Zeitalter eigen ist. Unruhe, nicht im Sinne äußerlichen Haftens, sondern in der Bewegtheit des Empfindungslebens; Unruhe, nicht aus Nervosität, wie in unseren Tagen, sondern infolge ewiger Selbstbetrachtung. Sodann die Eigentümlichkeit, daß keine von ihnen die gesellschaftlichen Schranken übertritt, während doch keine von ihnen für diese Schranken Achtung hegt. Ferner ihrer aller merkwürdige ideale Treue gegen ein außer ihnen Stehendes. Rahel weiht sich Goethe von ihrem ersten Atemzuge als erwachsenes Weib bis zu ihrem letzten. Bettina giebt sich mit solcher Überschwänglichkeit Goethe zu eigen, daß der Gedanke eines ihm zu Ehren zu errichtenden Kolossaldenkmals, welchem sie ihre erste Schrift widmet, das sie selbst zeichnet und en miniature ausführen läßt, in ihrem Alter förmlich zur fizen Idee bei ihr wird. Charlotte gehört so ganz dem Mann, den sie, sechzehnjährig, gewält, daß sie nur für ihn lebt und um seinewillen in den Tod geht.

|341| Ihnen allen gemeinsam ist ein Leben voll Begeisternng. Bei der einen äußert sich dieselbe als eine stille, heilige Flamme, bei der anderen bricht sie als ein Feuerwerk von Ideen und Träumereien hervor, bei der letzten findet sie Ausdruck in der erhabenen Entschlossenheit, die das Leben ohne Klage opfert. Ihnen gemeinsam ist, bestimmter gefaßt, der Kultus des Genius, das starke, exaltierte Gefühl von dem Werte und der Bedeutung des poetischen Genies. Sie wollen das Ihre zu seiner Anerkennung und Verherrlichung oder auch Entwickelung und Befreiung beitragen und gehen in diesem Streben auf, gleichviel, ob ihre Begeisterung einem bedeutenden oder einem unwürdigen Gegenstand eutgegengebracht wird. Mit einander gemein haben sie endlich auch die große Originalität des Gefühls- und Gedankenlebens. Sie gleichen keinen anderen Frauen der Welt. Niemals hat es eine gefühlsvolle Grüblerin wie Rahel gegeben, nie eine Sylphide und Schwärmerin wie Bettina, nie eine Selbstmörderin wie Charlotte Stieglitz, Selbstmörderin infolge einer hochsinnigen, aber irrigen ästhetischen Theorie.

Wem es um ein tieferes, historisches Verständnis zu thun ist, der erblickt überdies in Rahels Selbreflexion die erste Form, die das Emanzipationsstreben der Frau in diesem Jahrhunderte in Deutschland annehmen mußte; diese hohe, intellektuelle Selbständigkeit mußte erreicht werden, ehe die Frauen in einem Lande, wo man sie Jahrtausende lang auf die Häuslichkeit angewiesen hatte, weiter vorwärts streben konnten. Der Forscher liest ferner aus Bettinas dreifacher Begeisternng für Goethe, für die politischen Freiheitsgedanken und die sozialen Reformvorschläge den Übergang von der Kunstperiode zu dem Zeitalter des Liberalismus und Sozialismus heraus. In Charlottens Selbstmord endlich sieht er den Ausdruck des Strebens der Frauen, die Männer aus ihrem litterarischen Quietismus aufzurütteln und sie von Angesicht dem Ernste, dem Pathos des Lebens gegenüber zu stellen. Das ganze Zeitalter spricht durch ihren Mund, wenn sie zu Stieglitz sagt, beim Akkompagnement eines Wasserfalls |342| müsse das Lied vom kleinen Veilchen verstummen. Keine dieser Frauen hätte demnach zu einem andern Zeitpunkte sich zu dem entwickeln können, was sie geworden; keine von ihnen wäre zu irgend einer andern Zeit in so hohem Grade verstanden und gewürdigt worden, als dazumal. Schon heute haben wir alle Mühe, sie zu verstehen. «

Charakteristisch ist, daß im Leben dieser Frauen das Wort Arbeit nicht vorkommt. Sie haben nicht das allergeringste methodisch gelernt, und in ihrer Angst vor Unweiblichkeit sind sie stolz darauf. Wir sahen dies bei Rahel. Selbst die ganz ungewöhnlich sprachkundige Henriette Herz fühlt sich tief gekränkt, als Jean Paul in einem Brief die Worte geschrieben: »M. Herz und seine gelehrte Frau.« Charlotte Stieglitz hat keine Ahnung davon, daß das Talent durch Arbeit, durch hartnäckigen Fleiß und nicht durch Todesfälle entwickelt wird. Bettina endlich, die wie Mignon den Eiertanz tanzt, hat nichts mit Arbeit zu schaffen. Man empfindet dies mit Unmut, wenn man dem ungeordneten Vortrag in ihrem so unpolitischen, dem König gewidmeten Buche folgt.

Gegen das Jahr 1848 begann man einzusehen, daß diese Geustreichheit solider, wahrer, von bleibenderem Werte gewesen wäre, wofern diese Frauen etwas Zusammenhängendes gewußt, ein Studium, eine Wissenschaft getrieben hätten. All dieser Gedankenflug hätte doppelt so wertvoll sein können, wäre er zuvor einer Schulung unterworfen gewesen. Gedankenslug ohne vorherige Zucht des Gedankens ist oftmals Kraftverschwendung. Hätte Rahel sich auf einen Untergrund von Kenntnissen stützen können, sie hätte anders für die Nachwelt zu wirken vermocht. Nun flattern ihre Einfälle, dunkle und klare, Spreu und Saatkorn, in alle Winde.

Man glaubte in den dreißiger Jahren noch an eine Inspiration, die das Wissen entbehrlich mache, an eine Moral des Herzens, die davon enthebe, die Moral der alten Gesellschaft zu reformieren, an eine Auflehnung gegen die Regel, die die alte Regel bestehen ließ, |343| selbst aber sie umging. Hier setzten die Männer des jungen Deutschland ein und versuchten einzugreifen.

In den vierziger Jahren war man sich klar darüber, daß es ein Etwas gebe, das von höherem Werte sei, als geistvolle Intuition, als ein Leben in der inneren Welt allein. Gab es doch demütige, unerschrockene Arbeit in der Wissenschaft und der Politik zu thun. Wir sehen die Philosophie sich in der Richtung des Radikalismus entwickeln und stoßen auf Dichter, die der politischen Freiheit Bahn zu brechen versuchen.

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