Die romantische Schule in Frankreich (1883)

|[88]| VII.

Der Dichter, der am frühesten Chéniers Einwirkung verrät, war einer von den künstlerisch kühnsten Geistern der Schule, einer ihrer ursprünglichen Führer, Alfred de Vigny, als lyrischer Dichter ein Meister ohne Fehl. Keusch, klar, rein und streng, wie sie ist, hat seine Poesie etwas an sich, was das Bild von dem Segeln eines Schwanes, vom Glanz des Elfenbeins, der Reinheit des Hermelins, auf allen Lippen hervorrief, die eine Bezeichnung dafür suchten. Er hat die strenge Kunst, die nüchterne Farbe, das Knappe und Ungesuchte, das auch Chénier charakterisiert Augenscheinlich fürchtete er, man könne diese Eigenschaften einem Einfluß Chéniers zuschreiben. Denn obgleich er keine Gedichtsammlung vor 1819 herausgegeben, hat er doch in einer späteren Ausgabe seiner Gedichte eine Anzahl derjenigen, die am deutlichsten das Gepräge von André Chéniers Einfluß zu haben scheinen, mit einem früheren Datum versehen, das sogar bis zu 1815 zurückgeht. Doch selbst abgesehen davon, daß einzelne Gedichte von André schon damals in Chateaubriands »Le génie du Christianisme« und als Anhang zu Millevoyes Poesien veröffentlicht waren, spricht alle Wahrscheinlichkeit dafür, daß Alfred de Vigny trotz seines im übrigen so strengen Charakters (ganz wie in Dänemark Schack Staffeldt, bei seiner sonst hervortretenden Charakterreinheit) seine Gedichte vordatiert habe, um sich einen ihm nicht gebührenden Schein unbedingter Originalität zu geben; denn die einzelnen Poesien, die er vor seiner ersten Gedichtsammlung veröffentlichte, sind weit geringer als diejenigen, welche |89| die früheste (und eine bei weitem frühere) Jahreszahl tragen, ja so viel unbedeutender, daß er sie sogar später von seinen gesammelten Gedichten ausschloß. André de Chéniers Einfluß auf de Vigny ist somit unbestreitbar; er hat viel von der Eigentümlichkeit des spät entdeckten Meisters in sich aufgenommen, indem er sich zugleich von dem hellenischen Archaismus freimachte, der hemmend auf dessen freien Flug wirkte. Das Gedicht »Die Dryade«, das er mit der Anmerkung »Idylle in Theokrits Manier« bezeichnete, ist in Wirklichkeit eine Idylle in der Manier Chéniers. Was de Vigny am schärfsten von Chénier als lyrische Individualität unterscheidet, ist der unbedingte Spiritualismus und das stolze, stoische Gefühl des Alleinstehens. Er zeichnete sein Idealbild in Gedichten wie »Moïse«, »La colère de Samson« und »La mort du 1oup«. Er ist ganz er selbst in Moses’ schmerzlichem Ausruf:

Seigneur, j’ai vécu puissant et solitaire,
Laissez moi m’endormir du sommeil de la terre!

Ich glaube, die Klage seines tief verwundeten Selbstgefühls in Samfons Zorn über Dalilas Falschheit zu hören. (Seine Dalila hieß Marie Dorval, die große Schauspielerin.) Dreimal schon hat er ihr vergeben; dennoch zeigt sie sich mehr beschämt als verwundert darüber, gleichzeitig sich entdeckt und vergeben zu sehen:

Car la bonté de 1’Homme est forte et sa douceur
Écrase, en l’absolvant, l’être faible et menteur.

Und ich lese zugleich seinen Stoicismus und eine Verteidigung seiner Unproduktivität heraus aus den Worten im Gedicht vom Wolfe, der stirbt, ohne einen Schrei auszustoßen:

A voir ce que 1’on fut sur terre et ce qu’on laisse,
Seul le silence est grand; tout le reste est faiblesse.

Mag immerhin etwas erzwungene Steifheit in dieser seiner Haltung sein, so hat er dieselbe doch aus Stolz angenommen, aus geistigem Adel, in dem Bedürfnis, der Reinheit und Strenge seiner Gesinnung ein Denkmal in seinen Versen zu setzen.

|90| Der Dichter, der die wesentliche Weiterentwickelung von Chéniers lyrischem Stil unternahm, war als Geist ganz verschiedenartig sowohl von ihm wie von de Vigny, schwellend berauscht von Selbstvertrauen. Victor Hugo stand in der glücklichen Zeit, da die Morgenröte seine dreiundzwanzig Jahre umstrahlte. Er hat in einem Gedicht (A Mademoiselle J. in »Les chants du Crépuscule« die Siegesgewißheit, mit der er als lyrischer Dichter ins Leben hinaus trat, selbst geschildert:

»Damals sagte ich zu den Sternen: »O mein Stern, du birgst dich vergebens hinter einem Schleier, ich weiß wohl, daß du dort oben strahls;« und zum Flusse: »Du bist der Ruhm; aber sieh, ich komme, und jeder meiner Tage ist eine Welle deines Stromes.« Ich sagte zum Walde: »Du dunkler Wald! gleich dir hab’ ich Melodien und Stimmen ohne Zahl,« und zum Adler: »Sieh meine Stirne!« und den leeren Bechern rief ich zu: »Ich bin voll von brennenden Ideen, in denen die Seelen sich berauschen sollen.« […] Und während ich aus alles um mich her lauschte, trunken von Blumenduft und Harmonien, hörte ich den Gesang der ganzen Natur in dem Aufruhr und Tumult meiner Sinne […] Die Erde rief mir zu: Dichter! und der Himmel antwortete von oben: Prophet! Geh, sprich, lehre und segne! Fülle die Urne mit deinen mächtigen Gedanken, gieße sie aus über Thäler und Berge, gieße sie ins Nest der Schwalbe und in den Horst des Adlers!«

Victor Hugo bemächtigte sich jenes Verses, den André Chénier geschaffen, dieses durchsichtigen Organs der reinen Schönheit, und unter seiner Behandlung strahlte derselbe in allen Regenbogenfarben. Seltsamerweise war es diesmal wieder Griechenland, woher die Inspiration kam, aber diesmal das neue Griechenland. Unter dem Eindruck des griechischen Freiheitskrieges begann Hugo seine »Die Orientalen«. Doch wie verschieden die Sprachbehandlung! Die Worte malten; sie leuchteten, »vergoldet von einem Sonnenstrahl« |91| wie die schöne Jüdin in den Gedichten; die Worte sangen, als hätten sie ein heimliches Accompagnement von türkischer Musik.

Es war Goethe, der den Orient dichterisch entdeckt hatte. Doch dies Morgenland in »Westöstlicher Divan« war der Zufluchtsort des Greifes. Er erfaßte das Ruhende, das Beschauende in der orientalischen Lebensbetrachtung und flocht deutsche Lieder hinein. Rückert, der große Sprachkünstler, folgte später dieser Spur. Nach Goethes Orient kam jener Oehlenschlägers in »Aladdin«. Es war der Orient des Kindes, des Märchenbuches, aus Tausend und eine Nacht, halb persisch und halb kopenhagenisch. Es war der Traum von Geistern, die in Lampen und Ringe gebannt, von Diamanten und Saphiren, gleich scheffelweise gemessen – die unumschränkte Herrlichkeit der Phantasie, Alles gruppiert um ein paar unvergängliche poetische Typen. Dann folgte Byrons Orient – eine große Dekoration für die Leidenschaft in ihrer Rücksichtslosigkeit und Schwermut. Aber Hugos Orient war noch etwas ganz anderes: es war das bunte, barbarische Morgenland in der Ferne, das Land des Lichtes und der Farben.

Sultane und Mustis, Derwische und Kalifen, Hetmans und Klephten – liebliche Klänge in seinen Ohren, liebliche Bilder vor seinem Ange! Die Zeit gleichgültig – Altertum oder Mittelalter oder Gegenwart; die Rasse gleichgültig, hebräisch, maurisch oder türkisch; der Ort gleichgültig, Sodom und Gomorrha, Granada, Navarinoz der Glaube gleichgültig: »Niemand«, heißt es in der Vorrede, »hat das Recht, den Dichter zu fragen, ob er an Gott oder an Götter, an Pluto oder an Satan oder an Nichts glaube.« Er will malen. Er ist besessen von einem Genius, der ihm nicht Ruhe läßt, bis der Orient, wie er ihn fühlt, auf dem Papiere steht.

Wie kam er dazu? – Ein sorgfältiges Studium seiner morgenländischen Gedichte belehrte mich darüber. Sie entstanden ja nicht in der Ordnung, in welcher sie in der Sammlung aus einander folgen. Das zuerst geschriebene Stück ist Nr. 23 »Die |92| eroberte Stadt« (vom Jahre 1824); dann folgen in den Jahren 1826 und 1827 andere Gedichte, welche Stoffe aus dem Freiheitskriege behandeln, und erst 1828 hat die Phantasie des Dichters ernstlich Blut getrunken. Der Gesichtskreis erweitert sich, all die Elemente, die durch nahe oder ferne Ideenverbindung sich um den Türkenkrieg krystallisieren, kommen hinzu.

Betrachten wir das kleine Gedicht »Die eroberte Stadt«, das der Gemütsbewegung über Griechenlands Martyrium entsprang, so ist die Übereinstimmung mit dem Ausgangspunkt der französisch-romantischen Malerkunst auffallend. Im Jahre 1824 hatte Eugène Delacroix sein berühmtes Gemälde »Die Niedermetzelung auf Skios« ausgestellt, diese Schreckensszene, so gänzlich bar der hergebrachten poetischen Gerechtigkeit, so tief gefühlt, so frei und kräftig gemalt, so flammend in Farbenglut. Ein Jahr danach schreibt Hugo seine kleine Dichtung. Sie scheint der unterthänige Bericht eines treuen Sklaven, mit über der Brust gekreuzten Händen vorgetragen:

»O König! Das Feuer verzehrt und leuchtet, wie du befahlst; es erstickt den Schrei der Bevölkerung; […] Weiber und Männer, Väter und Söhne fallen unter dem Schwert; die Raben umkreisen die Stadt. Die Mütter klagten, die Jungfrauen zitterten, weinten und wurden geschändet; wir banden sie aufs Pferd und ließen sie aus den Zelten schleppen, noch lebend, aber braun und blau von Schlägen und Liebkosungen […] Die kleinen Kinder haben wir an den Steinen zerschmettert; diejenigen, die noch leben, bekommen ihren Rest. Dein Volk, o König, küßt den Staub unter den Sandalen, die ein Goldring um deinen edeln Fuß hält.«

Dies ist der allererste Ton, den Hugo in diesen Gedichten anschlägt; er ist scharf und grell, aber so ganz gut ist das Gedicht nicht, denn es ist nicht durchaus wahr. So hat jener Sklave nicht gesprochen; man fühlt in dem Rapport die persönliche Indignation des Dichters durch. Die Gedichte, die nun folgen, »Die Häupter auf dem Serail«, »Enthusiasmus« und »Navarino« tragen äußer|93|lich Zeugnis von der ursprünglichen, neugriechischen Inspiration, aus der »Die Orientalen« hervorgingen. Doch nun macht der Dichter einen großen künstlerischen Fortschritt, er schwingt sich hinüber auf den Standpunkt der Türken, dichtet sich in ihren Sinn hinein.

»Der Kummer des Pascha« ist der erste, halb ironische Versuch. Derwische und Bombardiere, Odalisken und Sklaven, alle suchen, Jedes von seinem Gesichtspunkt aus, zu ergründen, was wohl die Ursache sein mag, daß der Pascha stumm und träumend mit nassen Augen in seinem Zelte sitzt. Aber der Grund ist nicht der, den sie vermuten, weder daß die Favoritin untreu, noch daß ein Haupt im Sack des Fellah fehlt. Nein, sein Lieblingstiger aus Nubien ist todt. – Dies ist vorläufig nur ein Anlauf. Der Dichter ist noch nicht ganz über sich selbst hinaus, noch nicht ganz außerhalb seines Wesens als Privatpersönlichkeit; man spürt ihn in einem schwachen Spott, der das Bild stört und auslöst. Dann folgt das Gedicht »Türkischer Marsch«, und wir sind ganz im Orient.

Die meisterlichen Strophen sind in den Refrain eingefaßt: »Mein Dolch trieft von geronnenem Blut und meine Axt hängt an meinem Sattelknopf;« doch sonst ist der Inhalt nicht wild, er ist ernst, voll von türkischer Pietät, der Gedankengang völlig bestimmt durch einen Ehrbegriff, der nicht weniger maßgebend ist, wenn er auch anderer Art ist, als der unsrige.

Der Marsch beginnt: »Ich liebe nur den echten Soldaten, Belials Schrecken. Sein weiter Turban macht seine Stirne doppelt streng. Er küßt ehrerbietig den Bart seines Vaters und liebt wie ein Sohn seinen alten Säbel.« Ferner heißt es: »Der, welcher gerne mit Weibern schwätzt; der, welcher bei einem Trinkgelage die Stammtafel eines schönen Rosses nicht nennen kann; der, welcher aus seidenen Divanen ruht, vor der Sonne bange ist, der lesen kann und aus Skrupel all den Cypernwein den Christen überläßt |94| – der ist ein feiger Hund und kein Soldat: ihn sieht man niemals, wenn die Schlacht losgeht, aufgerichtet in den breiten Steigbügeln, mit dem Säbel in der Hand sein Pferd in den dichten Schwarm hineinspornen.« Hier ist nichts mehr von einer griechischen Stimmung oder einer europäischen Ironie über türkische Barbarei; hier ist der Dichter ganz und gar Dramatiker geworden innerhalb des türkischen Gebietes, hier ist die wahrhafte Brutalität in der Lokalfarbe, die kein nordischer Dichter bei solchen Stoffen je erreichte; hier ist die rechte männliche Barschheit im Ton.

Dies ist nicht Gefühlspoesie, es sind Töne in Dur, und ein Dur-Klang geht durch alle diese Gedichte, selbst wo das Weib und die Liebe ihre Rhythmen in diese wilden und rauhen eingeschlungen haben. Es sind grausame, herzllose Frauengestalten, wie die jüdische Sultanin, die immer neue Köpfe ihrer Nebenbuhlerinnen fordert, und es sind feine und musikalische Evatöchter, wie jene Gefangene, »Da captive«, die sich heim nach ihrem Lande sehnt, aber doch ein gewisses Behagen dabei fühlt, den Blick über Smyrnas Feenpaläste hingleiten zu lassen und Sommer und Winter, bei Tage und wenn der Vollmond aufs Meer scheint, die laue Luft des Orients einzuatmen. Hier findet sich eine so reizende Franengestalt wie jene, die in »Das Lebewohl der arabischen Wirtin« auftritt: dies Liebe, die darin zu Worte kommt, ist wehmütig in dem Gefühl, nicht Erwiderung zu finden, unterdrückt und keusch; es ist eine Mischung von schwesterlicher Fürsorge, kindlichem Aberglauben und unterwürfiger Anbetung, die sich mit edlem Stolz und plastischer Anmut offenbart.

Von dem Augenblick an, als der Dichter sich von dem Lager der Griechen demjenigen der Gegner zuwandte, läßt er seiner Phantasie freien Lauf. Von den Bildern türkischer Grausamkeit gleitet sie über zur Ausmalung türkischen Aberglaubens (Les Djinns – ein metrisches Wunder, wo das Herannahen der wilden Jagd, ihr Hindonnern über die Häupter der schreckgelähmten Bewohner und |95| ihr allmähliches Entfernen durch das langsame Steigen des Gedichtes von der zweisilbigen bis zur zehnsilbigen Strophe und dann wieder durch das Zurücksinken zur zweisilbigen Strophe gemalt wird). Vom türkischen Serail-Leben gleitet die Einbildungskraft zu dem Zeltlager der freien Beduinen in der Wüste; von der Wüste, wie sie heutzutage ist, zu der Wüste, wie sie war, als Bonaparte sie mit den Schwingen seiner Adler überschattete.

Ungeheuere Flächen von Sand und Wasser, die Ordnung und Bewegung großer Truppenmassen, die Architektur ganzer Städte, ihre Belagerung und die Sturmläufe dagegen zeigen sich vor Hugos Dichterauge, und durch eine naheliegende Ideen-Assoziation entsteht in einem gegebenen Augenblick das Bild riesiger Untergangsszenen aus der biblischen Vorzeit. Dort fand Hugo den prachtvollsten, seiner Persönlichkeit am meisten verwandten Stoff. Seine Phantasie war stets vornehmlich auf das Ungeheuere angelegt; Pegasus ist in buchstäblichem Sinne immer ein schönes Monstrum; aber sein Pegasus ist es in geistigem Sinne.

Er schreibt das Gedicht »Der Feuerregen vom Himmel«, das erste der Sammlung, der Entstehung nach das letzte. Wir sehen das schwarze, fürchterliche Gewölk über den Himmel jagen. Woher kommt es? Wohin geht es? Niemand weiß es. Es fährt über das Meer und fragt den Herrn, ob es die Flut mit seinem Feuer austrocknen soll. Nein, antwortet der Herr, und unter seinem Atem verfolgt es seine Bahn. Über den lieblichen Golf des mittelländischen Meeres, über Ägyptens blondes Kornland gleitet die Wolke, aber der Herr giebt ihr noch kein Zeichen, stillzustehen. Über die Wüste fliegt sie, über die Ruinen des alten Babylon. Sie fragt: Ist es hier? Doch sie muß weiter fort. So erreicht sie zur Nachtzeit den Zenith über den zwei Schwesterstädten Sodom und Gomorrha, wo Alles unter Schwelgerei, in Genuß und Wollust eingeschlummert ist. Und auf den Wink des Herrn zerreißt die Wolke und öffnet ihren Flammenschlund. Ein Schauer fällt her|96|nieder: Funken, Schwefelströme, Feuerregen, bis Achat und Porphyr und Abgötter und Marmorriesen wie Wachs schmelzen und die Flammen alles Lebendige in den Häusern und auf den Straßen umzüngeln und verbrennen. Da streckt gegen Morgen die alte Ruine von Babel ihr Haupt über den Bergrücken hervor, um den Schluß dieses Schauspiels zu genießen. Sie kennt es; auch sie hat einmal die Liebe, welche züchtigt, empfunden.

Dies ist, wie gesagt, keine Moll-Poesie, und Beschuldigungen der Kälte blieben nicht aus, so ungerechtfertigt sie auch waren; aber all dies ist geschaut, all dies ist gemalt mit einem Pinsel, erinnernd an jene Tanne, die Heine aus Norwegens Wäldern reißen und in des Ätna glühenden Schlund tauchen wollte, um damit den Namen seiner Geliebten an die dunkle Himmelsdecke zu schreiben. Diese »Orientalen« wurden das Prototyp für die romantische Lyrik. Der Dichter wagte hier, das Schmerzlichste, ja das Häßliche, Entsetzliche anzufassen (το δεινον, wie die Griechen sagten) und es in seine Lyrik aufzunehmen in dem Vertrauen, daß seine dichterische Kraft wohl imstande sei, dies Alles mit Poesie zu durchdringen, all diese Schatten durchsichtig erstehen und all diese dunkeln Punkte in einem poetischen Lichtmeer ausgehen zu lassen. Er schrieb einmal ein Gedicht über den Erdball, das sich auf diese seine Lyrik anwenden läßt; er schildert den dürren, steinigen, kärglichen Erdboden, der nur widerstrebend dem Menschen Brot gibt; hier glühende Wüsten, dort oben Polar-Eis; Städte, welche die drei Jungfrauen Barmherzigkeit, Frieden, Vertrauen händeringend verlassen; den Tod, ein Gespenst ohne Augen, das gerne die Besten zuerst hinrafft; Meere, wo Schiffe nachts zu Grunde gehen, Länder, wo der Krieg brüllend seine Fackeln schwingt und Völkerschaften rasend sich auf einander stürzen, und – schließt er – all dies ist ein Stern am Himmel.

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