Die Leser des vorhergehenden Bandes kennen den Plan der Arbeit, welche ich unternommen habe. Sie wissen, daß ich die Literaturbewegung des Jahrhunderts schildern will, die keimende und wachsende Reaktion, zuerst in ihren Grundsätzen, sodann in ihrem Verlaufe bis zu ihrem Höhepunkt. Hernach werde ich zeigen, wie der aus dem vorigen Jahrhundert stammende freisinnige Hauch ihr begegnet, wie er zu einem Sturme anschwillt und jeden Widerstand bemeistert. Hier sind viele Werke zu charakterisiren, viele Persönlichkeiten zu zeichnen. Es wird meine Aufgabe sein, diese Persönlichkeiten im Profil zu schildern, in einem so scharfen und bestimmten Profil wie ich es irgend vermag. Niemand kann Alles mitnehmen. Das Ganze kräftig, aber von Einer Seite zu beleuchten, so daß die Hauptzüge hervorspringen und in die Augen fallen, ist mein Princip. Ich will mich einerseits bestreben, die Literaturgeschichte so psychologisch wie möglich zu behandeln, so tief hinab zu steigen, wie ich es vermag, die Gemüthsregungen zu erfassen, welche weit zurück, tiefst innen die jedesmal in die Erscheinung tretende Literatur vorbereiten und er|2|zeugen. Dazu muß ich den Leser bitten, so unbefangen wie möglich in das eigene Gemüth hinab zu schauen. Und andererseits will ich versuchen, das Resultat in einer so äußerlichen und handgreiflich plastischen Form wie möglich darzustellen. Gelänge es mir, das versteckte Gefühl und die abstrakte Idee, welche überall zu Grunde liegen, in präciser und anschaulicher Form wie in der Silhouette und im Profil zu geben, so wäre meine Aufgabe gelöst. Am liebsten zeigte ich stets das Princip ganz in der Anekdote verkörpert.
Zuerst und zuvörderst führe ich daher überall die Literatur auf das Leben zurück. Man kann Dies schon aus dem Umstand erkennen, daß, während ältere Fehden in unserer Literatur, z. B. die zwischen Heiberg und Hauch, ja selbst die berühmte Polemik zwischen Baggesen und Oehlenschläger, sich ausschließlich auf ein literarisches Gebiet beschränkten und einzig zu Disputationen über literarische Principien führten, die leidenschaftliche Polemik über mein Buch hier zu Lande, nicht allein durch den Unverstand der Gegner, sondern eben so sehr durch die Natur meiner Arbeit, eine Unzahl religiöser, socialer und moralischer Fragen berührt hat. Nicht als ob ich meinem Buche wegen der vielen Diskussionen, die es veranlaßt hat, eine besondere Wichtigkeit beimäße. Es war vielmehr eine geringe, an sich wenig bedeutende Leistung. Aber es sprach hier zu Lande ein neues Princip aus, und es entspann sich darüber ein heftiger |3| Kampf. Das gewöhnlichste Terrain, sagt Victor Hugo, gewinnt einen gewissen Glanz, wenn es zum Schlachtfelde wird: Austerlitz und Marengo sind große Namen und kleine Dörser. Nach Reduktion der Verhältnisse aus ihr bescheidenes Maß darf ich Dies wohl auf mein Buch anwenden.
Aus dieser meiner Auffassung des Verhältnisses der Literatur zum Leben rührt es her, daß die Literaturgeschichte, welche ich vortrage, keine Salonliteraturgeschichte ist. Ich greife mit so kräftiger Hand, wie ich es vermag, in das wirkliche Leben hinab und weise nach, wie die Gefühle, die in der Literatur ihren Ausdruck finden, im Menschenherzen entstehen. Aber das Menschenherz ist kein stiller Teich und kein idyllischer Waldsee. Es ist ein Ocean mit einer submarinen Vegetation und schrecklichen Bewohnern. Die Salonliteraturgeschichte sieht, wie die Salonpoesie, im Menschenleben einen Salon, einen geputzten Ballsall, wo Möbel und Menschen polirt sind; die Beleuchtung schließt alle dunklen Winkel aus. Möge, wer Lust hat, die Dinge von dieser Seite betrachten; meine Sache ist’s nicht. Wie Der, welcher botanisiren will, Brennnesseln so gut wie Rosen anfassen muß, so muß Der, welcher die Literatur studiren will, sich daran gewöhnen, mit den unerschrockenen Augen des Naturforschers und des Arztes alle Formen des Menschenwesens in ihrer Verschiedenheit und in ihrem innern Zusammenhange zu erblicken. Ob die Pflanze |4| sticht oder duftet, macht sie nicht mehr oder weniger interessant. – Ich werde daher das Eine oder Andere berühren müssen, was die Konvenienz sonst nicht zu besprechen gestattet. Man wolle sich hieran nicht stoßen, sondern auf den Geist achten, in welchem es geschieht, auf den Ernst »und die vollständige Kälte, womit ich von den sogenannten brennenden Fragen rede.
Es ist die deutsche Literatur, welche es zunächst zu behandeln gilt. Die Aufgabe, die romantische Schule Deutschlands im Zusammenhange zu schildern, ist für einen Dänen eben so schwierig wie entmuthigend. Dieser Stoff ist zum ersten überwältigend groß, sodann ist er von deutschen Schriftstellern vielfach und zuletzt durch Theilung der Arbeit mit einer solchen Detailgelehrsamkeit behandelt, daß es für einen Fremden, dem obendrein die Quellen lange nicht immer zugänglich sind, unmöglich ist, es mit den Kindern des Landes selbst aufzunehmen, die von klein auf schon in der Literatur heimisch sind, welche er in einem Alter, wo die Massenaneignung weit schwieriger ist, kennen lernen soll. Er muß daher seine Stärke theils in der Bestimmtheit suchen, mit welcher er seinen individuellen Gesichtspunkt einnimmt und behauptet, theils darin, daß er, wo möglich, Eigenschaften entfaltet, die bei den eigenen Schriftstellern des Landes minder hervortreten. Eine solche Eigenschaft ist hier die künstlerische, ich meine die Fähigkeit der Veräußerlichung. Die deutsche Natur ist so innerlich und tief, |5| daß diese Fähigkeit sich nicht eben häufig findet. Theils endlich giebt es ein Element, das der Fremde leichter als der Eingeborene wahrnimmt, nämlich das Racenmerkmal, Das bei dem deutschen Schriftsteller, was ihn als Deutschen kennzeichnet. Dem eingeborenen Beobachter erscheint deutsch sein und Mensch sein allzu leicht als Eins und Dasselbe, da er gewohnt ist, überall, wo er sich mit einem Menschen beschäftigt, einen Deutschen vor sich zu haben. Dem Fremden fällt Manches sehr auf, dessen Eigenthümlichkeit der Eingeborene übersieht, weil er es immer vor sich sieht, und besonders weil er es selbst besitzt oder ist.
Ich werde im Ganzen nur selten und gelegentlich die dänische Literatur berühren. Nur hie und da bohre ich in den Theatervorhang, den ich vor meinem Publikum ausrolle, ein Loch, durch welches man die dänischen Verhältnisse erblicken kann. Nicht daß ich die dänische Literatur vergäße oder sie aus dem Gesichte verlöre. Im Gegentheil, ich behalte sie unverwandt vor Augen. Indem ich den Versuch mache, die innere Geschichte der fremden Literatur zu geben, liefere ich an jedem Punkte indirekte Beiträge zur dänischen Literaturgeschichte. Ich male den Hintergrund, welcher nöthig ist, damit unsere Literatur dereinst auf demselben mit ihrer Eigenthümlichkeit hervortreten kann. Ich arbeite an dem Unterbau, auf welchem sich nach meiner Ueberzeugung die Geschichte der modernen dänischen Literatur erheben muß. |6| Ist das Verfahren ein indirektes, so ist es dadurch um so gründlicher. Doch will ich gern mit wenigen Worten andeuten, welches ungefähr das Resultat ist, zu dem mich ein Vergleich zwischen der dänischen und der fremden Literatur im selben Zeitraume geführt hat. Ich kann es wie in einer Formel zusammen fassen. Das Verhältnis zwischen Deutschland und Dänemark ist hier folgendes: Die deutsche Literatur ist während dieser Periode verhältnismäßig ursprünglich durch ihre Tendenzen und ihren Inhalt. Die dänische setzt zum Theil eine specifisch nordische Ader fort, zum Theil baut sie auf Grundlage der deutschen. Diedänischen Schriftsteller haben durchgehends die deutschen gelesen und sich angeeignet, wogegen Diese niemals die dänischen Schriftsteller gelesen oder die geringste Einwirkung von denselben empfangen haben. Steffens, der uns den Anstoß von Deutschland giebt, ist der absolute Lehrling Schelling’s. Als Beweisstelle lese man folgende Worte eines Briefes von Steffens an Schelling: »Ich bin Ihr Schüler, ganz und gar Ihr Schüler. Alles, was ich leisten kann, gehört ursprünglich Ihnen. – Das ist nicht ein vorübergehendes Gefühl, es ist eine feste Ueberzeugung, die ich davon habe, daß es sich so verhält, und ich schätze mich deshalb nicht geringer. – Wenn ich also einmal ein wahrhaft großes Werk hervorgebracht habe, das ich meins nennen möchte, und wenn es anerkannt worden ist, so werde ich öffentlich hervortreten, mit der |7| Wärme der Begeisterung meinen Lehrer nennen und Ihnen den errungenen Lorbeerkranz reichen.« G. L. Plitt, Aus Schelling’s Leben. Bd. I, S. 309.
Aus diesem Verhältnisse zu Deutschland ergeben sich mehrere Konsequenzen: In der Poesie Deutschlands mehr Leben, in der entsprechenden Poesie Dänemarks mehr Kunst. Es ist Deutschland, das die Stoffe aufgräbt. Die Literatur, welche mit der Romantik beginnt, lebt und webt in den innerlichsten Stimmungen, schwelgt in Gefühlen, ringt mit Problemen, erschafft Formenwelche sie selbst unaufhörlich zertrümmert. Die dänische Literatur empfängt die von Leben sprudelnden Stoffe und Ideen, und es gelingt ihr oft, ihnen eine sicherere Form und einen klareren Ausdruck zu geben, als sie in ihrer Heimat erhielten. (Man denke z. B. an Heiberg’s Verhältnis zu Tieck.) Zum Theil verwendet und bearbeitet sie dieselben, zum Theil stellt sie verwandte Gedanken in günstigeren und plastischeren Stoffen dar, wie z. B. in dem Material, welches die nordische Vorzeit lieferte.
So geschieht, was ich an einer andern Stelle G. Brandes, Kritiken und Portraits. S. 229. geschrieben: Auf dänischem Boden erhielt die Romantik mehr Klarheit und mehr Form. Sie ward minder nächtlich, sie wagte sich verschleiert ins Sonnenlicht hinaus. Sie fühlte, daß sie zu einem nüchternen und besonnenen Volke gekommen, das sich selbst noch nicht |8| ganz darüber einig geworden war, ob nicht der Schein des Mondes unnatürlich und sentimental sei. Sie stieg aus den Schachten der Berge empor, von wo Novalis sie in seinen Bergmannsliedern zum ersten Male herauf beschworen hatte, und schlug mit Waulundur an die Seite des Berges, so daß er zerbarst und all seine Schätze im Lichte des Tages selbst an den Tag legte. Sie fühlte, daß sie in eine andere, lächelndere, mildere und idyllischere Natur gekommen, sie schüttelte das Unheimliche ab, ihre dicken, formlosen Nebel verdichteten sich zu schlanken Elfenmädchen, sie vergaß den Harz und den Blocksberg, und an einem schönen St. Johannisabend schlug sie ihre Residenz auf dem Hügel des Thiergartens auf.
»Aladdin« ist ein besseres und anschaulicheres Dichterwerk, als Tieck’s »Kaiser Oktavianus«. Aber hinwiederum könnte Oehlenschläger nicht leugnen, daß »Aladdin« niemals geschrieben worden wäre, wenn »Oktavianus« nicht existirt hätte. Heiberg’s »Weihnachtsspäße und Neujahrspossen« sind ein reichlich so witziges Produkt, wie Tieck’s aristophanisch-polemische Satiren; aber die ganze Form, das Theater im Theater, die Literatursatire, die Mischung von Sentimentalem und Ironischem, ist von Tieck entliehen, und, was schlimmer ist, nur von Tieck’s Principien aus verständlich. Man findet mit einem Worte bei Oehlenschläger, Hauch, Heiberg mehr Form, als bei Novalis, Tieck, |9| Friedrich Schlegel, aber weniger Inhalt, Das will sagen weniger Leben, weniger direkte Beziehung zu den Lebensregungen. Man hat bei uns zu oft die großen Lebensprobleme unbeachtet gelassen, sie aus der Literatur hinaus gewiesen, wenn man sie nicht in eine regelrecht poetische Form zu bringen vermochte. »Psychologisch läßt sich Dies so ausdrücken: Unsere Schriftsteller haben in der Regel als Künstler die deutschen übertroffen, als Menschen, in geistiger Beziehung blieben sie weit hinter ihnen zurück. Letzteres gilt nicht nur von dieser Periode, sondern überhaupt und absolut für dies ganze Jahrhundert. Man vergleiche Tieck und Oehlenschläger, oder man vergleiche einen Augenblick in Gedanken die Modernen: Lenau, Auerbach, Spielhagen, Paul Heyse mit Blicher, Hostrup, Andersen, Björnson, und man wird Folgendes wahrnehmen: bei dem deutschen Schriftsteller, wie Tieck oder Auerbach (ich denke hier zunächst an Tieck’s nicht-romantische Periode), spricht sich in jedem noch so kleinen Erzeugnis, es sei unplastisch, es sei schwach oder gar verfehlt, eine ganze Lebensartschauung aus, und zwar eine, die nicht aus der Luft gegriffen, sondern durch die Erfahrung und Reflexion eines Lebens gereift und entwickelt ist, die den Stempel der ganzen erstaunlichen vielseitigen Bildung trägt, welche den deutschen Geist auszeichnet. Eine Novelle von Tieck, ein Roman von Auerbach enthalten eine poetisch-philosophische Totalansicht des Lebens, und diese Totalansicht |10| ist die eines Mannes, selbst wenn sie nicht immer die eines Dichters ist. Eine Tragödie von Oehlenschläger, ein Märchen von Andersen, ein Vaudeville von Hostrup dagegen werden sich fast immer durch ausgeprägt dichterische Eigenschaften, wie Phantasie, Laune, Heiterkeit, jugendlich frische und treffende Züge, auszeichnen, aber die Grundanschauung ist, wenn sie poetisch ist, die eines Kindes. Von einer durch ein Verhältnis zur Wissenschaft errungenen und im Verlauf des Lebens beständig weiter entwickelten Weltanschauung ist, so zu sagen, niemals die Rede. Von einer eigentlichen Entwicklung findet sich oft keine Spur. Dichter wie Christian Winther oder H. C. Andersen sind eben so vollkommen in ihren ersten Arbeiten, wie in ihren letzten. Bei Andern versiegt die poetische Produktion in einem Alter, wo man erwarten sollte, daß sie sich erst recht entfalten würde, wie bei Hostrup und Richardt. Das Talent bekommt zuweilen mit den Jahren ein gewisses Embonpoint, wie bei Oehlenschläger. Zuweilen wird das Ideal immer magerer, wie bei Paludan-Müller. Wo eine Metamorphose stattfindet, besteht sie nicht darin, daß man sich allmählich selbst eine Lebensanschauung erschafft; man schlägt, nachdem man sich eine Zeitlangan den schmalen Pfad der Poesie gehalten hat, eine der beiden großen Heerstraßen ein, entweder den Spießbürgerweg oder den Kirchenweg. Der Schlafrock oder das schwarze Priestergewand! Das ist fast immer das |11| Kostüm, welches man trägt, wenn man den spanischen Mantel der poetischen Jugendzeit ablegt. Selbst die jüngsten Schriftsteller hier zu Lande gehen den Ideen der Zeit aus dem Wege. Vergleichen wir z. B. einen unserer Jüngeren, wie Bergsöe, mit einem der jüngeren Schriftsteller in Deutschland, wie Spielhagen, so liegt der Unterschied nicht so sehr darin, daß der deutsche Schriftsteller unleugbar bedeutendere Anlagen hat, nein, Spielhagen ist ein Bergsöe mit Ideen, – mit den Ideen unserer Zeit. Er ist von allen Problemen des Zeitalters ergriffen, wird zuweilen von ihrer Schwere fast erdrückt, aber er bringt sie stets dem Bewußtsein seiner Zeit näher. Wogegen jedoch polemisirt Bergsöe? Gegen die Adelsaristokratie, die er in seinen Gedichten, gegen die katholische Religion, die er in seinen Romanen verspottet. Dieser Kampf hat seine große Bedeutung im Leben, wo diese Mächte noch eine wichtige Rolle spielen; aber es ist hundert Jahre her, seit er in der Literatur interessant war. Diese Mächte gehören zu den Todten der Literatur, und es lohnt sich nicht der Mühe, die Todten noch einmal todtzuschlagen. Also durchgehends: die deutschen Schriftsteller haben fast überall, wo man sie in diesem Jahrhundert mit den dänischen vergleichen kann, eine reifere und originalere Lebensanschauung und sind als Persönlichkeiten größer, welchen Rang immer sie als Dichter einnehmen.
Eine dritte Seite desselben Gegenstandes ist fol|12|gende: die dänischen Schriftsteller haben in der Regel den Vorzug, die Ausschweifungen des Geschmacks und der Phantasie zu vermeiden, in welche die fremden häufig verfallen. Sie machen bei Zeiten Halt, sie entgehen dem Paradox oder sie verfolgen es nicht bis zu seiner äußersten Konsequenz; sie haben das Sicherheitsgefühl, welches angeborenes Gleichgewicht und angeborenes Phlegma verleihen, sie sind fast niemals cynisch, verwegen, blasphemisch, rebellisch, wild phantastisch, durchaus sentimental, rein abstrakt oder rein sinnlich; der Pegasus geht selten mit ihnen durch, sie stürmen nie den Himmel, sie fallen nie in einen Brunnen. Das ist es, was sie bei ihrer Nation so populär macht. Ein sicherer Geschmack und eine Eleganz, wie die, wodurch Heiberg’s Poesie und Gade’s Musik sich auszeichnen ein gesundes und kräftiges Naturgefühl, wie das, welches Oehlenschläger’s und Hartmann’s beste nordische Produktionen charakterisirt, werden stets bei den Dänen als Ausdruck einer edlen, sich selbst beherrschenden Kunst gelten. Was für excentrische Persönlichkeiten beherbergt im Gegensatze hier Deutschlands romantisches Hospital! Einen brustschwachen Herrnhuter mit hektischer Sinnlichkeit und hektisch überirdischem Sehnen – Novalis. Einen ironischen Melancholiker mit kränklichen Hallucinationen und kränklich katholischen Tendenzen – ich meine Tieck. Ein poetisch impotentes Genie mit dem Drange des Genies, zu revoltiren, und mit dem Drange |13| der Ohnmacht, sich einem äußern Machtspruche zu unterwerfen –– Friedrich Schlegel. Einen überwachten Phantasten mit halb wahnwitzigen Opiumsphantasien wie Hoffmann. Einen närrischen Mystiker wie Werner, und einen genialen Selbstmörder wie Kleist. Man denke an Hoffmann, von dem Andersen ausging, und sehe, wie gesund, aber auch wie nüchtern und ruhig Andersen sich neben seinem ersten Vorbilde ausnimmt!
Also, daß mehr Harmonie bei den dänischen Schriftstellern zu finden ist, steht außer Zweifel. Und daß Derjenige, welcher die Harmonie, selbst eine ärmlichere, für das Höchste in der Kunst hält, die dänische Literatur in den ersten Jahren unsres Jahrhunderts viel höher als die deutsche stellen muß, ist leicht zu begreifen. Jeder urtheilt in solchen Dingen nach seinem Naturell und Geschmack. Ich für mein Theil will nicht verhehlen, daß meine Ansicht hier von der üblichen ziemlich abweicht. Es dünkt mich, daß wir jene Harmonie großentheils durch Zaghaftigkeit, durch Mangel an künstlerischem Muth errungen haben. Wir sind nicht gefallen, weil wir nicht auf eine Höhe gestiegen sind, von wo uns die Gefahr des Fallens gedroht hätte. Wir haben es Andern überlassen, den Montblanc zu erklimmen. Wir bewahrten uns davor, den Hals zu brechen, aber wir ließen auch die Alpenblumen ungepflückt, welche nur auf den höchsten Bergeszinnen und am Rande des Abgrunds blühen. Ich dränge Niemandem meinen Ge|14|schmack auf. Jeder Versuch dazu würde eine nutzlose Pedanterie sein. Aber was wir nach meiner Ansicht in der Literatur nicht hinlänglich geschätzt haben, ist die Kühnheit, jene Kühnheit, welche gleichbedeutend mit der Fähigkeit des Schriftstellers ist, sein bestimmtes künstlerisches Ideal rücksichtslos auszudrücken. Diese Kühnheit, mit welcher der Schriftsteller das für seine Richtung Typisch verfolgt, ist häufig Das, was seinem Werke Schönheit verleiht. Um mich näher zu erklären: wenn eine Richtung, wie die Romantik z. B., die phantastische Saite anschlägt, scheint der Verfasser mir vor Allen interessant, welcher die Phantastik auf die kühnste Spitze treibt, – wie Hoffmann. Je wildphantastischer er ist, desto schöner ist er, wie die Pappel, je höher, und die Buche, je breiter und mächtiger sie ist. Die Schönheit liegt in der Kühnheit und Kraft, womit sich das Typische ausprägt. Der, welcher ein neues Land entdeckt, kann bei der Entdeckung an einer Klippe stranden. Es ist leicht, die Klippe zu vermeiden und das Land unentdeckt zu lassen. Unsere Romantiker sind niemals wahnwitzig wie Hoffmann, aber auch niemals dämonisch wie er. Sie verlieren an fesselndem und überwältigendem Leben und an Energie, was sie an Lesbarkeit und Klarheit gewinnen. Sie finden verhältnismäßig mehr Leser und mehr Klassen von Lesern, aber es gelingt ihnen nicht, sie so ganz zu gewinnen. Die kraftvollere Originalität schreckt Manche ab, fesselt |15| aber stärker. Wir haben in unserer romantischen Richtung nicht Friedrich Schlegel’s dummdreiste Unsittlichkeit, aber auch nicht seinen genialen Oppositionsgeist, und bei uns gilt für fest und gegeben, was seine Leidenschaft in Fluß bringt, und was seine Kühnheit in neue und barocke Formen gießt. Wir erhalten bei uns auch nicht die katholische Tendenz. Das heißt, wir erhalten die Orthodoxie in verhärtetster Form, wir erhalten Verhimmelung und Pietismus, wir erhalten im Grundtvigianismus eine Richtung, welche auf der schiefen Ebene hinab gleitet, die zum Katholicismus führt; aber hier, wie immer, thun wir den Schritt nicht vollständig, scheuen wir vor den letzten Konsequenzen zurück. Daraus folgt, daß die Reaktion bei uns weit schleichender und versteckter ist. Verhüllt wie das Laster, klammert sie sich an die Kirchenaltäre, die von jeher eine Zufluchtsstatt für Verbrecher jeglicher Art waren. Man kann ihr niemals recht zu Leibe gehen, sie niemals ohne Weiteres überführen, was die nothwendige Konsequenz ihrer Principien ist, nämlich Gewissenszwang, Inquisition und Despotie. Kierkegaard ist z. B. orthodox, in der Politik Absolutist, am Ende seines Lebens fanatisch. Er vermeidet es jedoch sein ganzes Leben lang – und dieser Zug ist echt romantisch, – irgend eine äußere oder sociale Konsequenz aus seiner Lehre zu ziehen, ja man gewahrt kaum den Kern der Lehre vor lauter Hüllen. Nehme man im Gegensatze hier einen andern absolutistischen |16| Orthodoxen bei einer andern Nation, z. B. Joseph de Maistre, einen eben so edlen und aufrichtig gläubigen Mann, wie Kierkegaard, und von eben so menschenfreundlicher Gesinnung. Er entwickelt all’ seine Anschauungen zu ihren klaren Konsequenzen, er scheut keinen Zug, der sich in gerader Linie aus seiner Ueberzeugung ableitet. Wie Kierkegaard, ist er ein glänzend begabter, durchgebildeter Geist. Aber während Kierkegaard, wenn es sich um die Wirklichkeit handelt, wie eine alte Jungfer vor dem »Spektakel der Außenwelt« zurück schrickt, zieht de Maistre kühn alle praktischen Konsequenzen. Die berühmte Abhandlung über den Henker im sechsten Gespräche der »Soirées de Saint-Petersbourg« läßt an Deutlichkeit Nichts zu wünschen übrig. Der Henker ist »das erhabene Wesen«, »der Eckstein der menschlichen Gesellschaft«, mit seiner Abschaffung »würde jede Gesellschaftsordnung verschwinden«. Zwei Mächte sind nach de Maistres Ansicht im modernen Staate erforderlich, um die revolutionären geistigen Kräfte, welche die französische Umwälzung entfesselt hat, den Unglauben und den Ungehorsam, zu stürzen: die eine ist der Papst, die andere ist der Henker. Der Papst und der Henker sind die beiden Grundpfeiler der Gesellschaft: Jener trifft den aufrührerischen Gedanken mit seiner Bannbulle, dieser das aufrührerische Haupt mit seinem Beile. Es ist ein Genuß, solche Entwicklungen zu lesen. Hier ist Kraft und Konsequenz, der volle Ausdruck eines klaren Ge|17|dankens, eine energische und ungeheuchelte Reaktion. Und de Maistre bleibt sich treu aus allen Gebieten, er ist nicht, wie unsere dänischen Reaktionäre oder, wie sie sich nennen, Liberalen, politisch freisinnig und gesellschaftlich reaktionär, religiös reaktionär und politisch liberal oder halbliberal: er haßt die politische Freiheit, er verspottet (in seinen Briefen) die Emancipation der Frau, er vertheidigt (in einer besonderen Schrift) mit Wärme und Festigkeit die spanische Inquisition, er wünscht in der Reinheit seines Herzens und mit allem Ernst seiner männlichen Seele die Wiedereinführung der Ketzerverbrennung, und schämt sich nicht, es zu sagen, da er es denkt. Solch ein genialer und hervorragender Mann, groß als Staatsmann, groß als Schriftsteller, der lieber sein ganzes Vermögen ausopfert, als daß er der Revolution, die er haßt, oder Napoleon, den er verabscheut, die geringste Koncession machte, ein solcher Mann, welcher ohne Scheu den Scharfrichter als den unentbehrlichen Aufrechterhalter der Ordnung vergöttert, den Galgen mitten in seinem Gesetzbuche auspflanzt und der Kirche Beil und Scheiterhaufen als Strafwerkzeug vindicirt – Das ist eine Physiognomie, ein stolzes und kühnes Profil, das eine Geistesrichtung ausdrückt, und das man nicht vergißt; Das ist ein Typus, an dem man seine Freude hat, wie der Naturforscher sich über ein ausgezeichnetes Exemplar einer Race freut, von welcher er bisher nur verkrüppelte und undeutliche Exem|18|plare angetroffen hat, und der Umstand, daß derartige Individualitäten in unserer Literatur nicht vorkommen, mag in praktischer Hinsicht ein Glück für uns sein, aber jedenfalls giebt er der Literaturgeschichte einen minder plastischen Charakter.
Joseph de Maistre ist der am schärfsten ausgeprägte Romantiker der französischen Reaktion. Ich kehre zu der deutschen Richtung zurück. Bei der Methode, welche ich einschlage, bietet diese Periode der deutschen Literatur anscheinend eine außerordentliche Schwierigkeit. Die Methode besteht, wie man weiß, darin, den tieferen Literaturbewegungen von Land zu Land psychologisch zu folgen und zu zeigen, wie von Zeit zu Zeit das flüssige Material zusammengepreßt wird, sich in dem einen oder andern deutlichen und handgreiflichen Typus krystallisirt. Dies Typische ist hier minder leicht nachzuweisen, weil es gerade die Eigenthümlichkeit dieser Poesie ist, ohne feste typische Formen zu sein. Sie ist nicht plastisch, sondern musikalisch. Die französische Romantik bringt feste Gestalten hervor, das Ideal der deutschen ist nicht eine Gestalt, sondern eine Melodie, keine einzelne Form, sondern ein unendliches Sehnen, und soll sie den Gegenstand ihrer Sehnsucht benennen, so wählt sie Ausdrücke wie »ein geheimes Wort«, »eine blaue Blume«, »der Zauber der Waldeinsamkeit«. – Aber diese Bezeichnungen sind Stimmungsausdrücke, und jeder Stimmung entspricht ein bestimmter psychologischer Zustand. Die |19| Aufgabe ist, jede Stimmung, jedes Gefühl und jede Sehnsucht, auf die Gruppe von Stimmungen zurück zu führen, zu welcher sie gehört. In ihrem Zusammenhang bildet diese Gruppe eine Seele. Und mit einer kräftig ausgeprägten Eigenthümlichkeit steht eine solche Seele in der Literatur als Repräsentant vieler da, welche lebten, ohne selbst im Stande zu sein, ihr Wesen zu schildern, aber welche ihr Wesen in der Schilderung wiederfanden. So wird es mir vielleicht gelingen, den Nachweis zu liefern, daß der Charaktertypus uns nicht entschlüpft, weil der Dichter Landschaft auf Landschaft zu malen unternimmt, statt kraftvolle Persönlichkeiten darzustellen, oder weil er seine Gedichte bis zu solchem Grade in Musik auslöst, daß er zuletzt nur »Allegro« oder »Rondo« als Ueberschriften gebraucht, – daß aber der ganz eigenthümliche Charakter dieser Landschaften und die Natur dieser Wortmusik ein durchaus bezeichnendes Symptom eines Seelenzustandes ist, der sich annähernd sehr genau bestimmen läßt.
Um diese deutsche Romantik recht zu verstehen, muß man sie Unter vier Gesichtspunkten betrachten: poetisch, social, religiös und politisch. Auf poetischem Gebiete zerfließt sie in hysterische Andacht und blauen Dunst; auf socialem hat sie nur ein einziges Verhältnis, ein Verhältnis des Privatlebens, das zwischen den Geschlechtern, behandelt und meistens mit liederlicher und krankhafter Leidenschaftlichkeit leere Lusthiebe geführt. Sie |20| hat hier nicht die Menschheit, sondern nur einige aristokratisch begünstigte Künstlernaturen vor Augen. Was ihr religiöses Verhalten betrifft, so strecken alle die in der Poesie so revolutionären Romantiker demüthig den Hals hin, sobald sie das Joch gewahren. Und in der Politik sind sie es, welche den Wiener Kongreß leiten und seine Manifeste zur Aufhebung der Gedankenfreiheit des Volkes zwischen einem Kirchenfest in der Stephanskirche und einem Austerndiner bei Fanny Elsler verfassen.
Man sage, so viel man wolle, wir hätten uns nur die guten und gesunden Elemente der Romantik angeeignet. Die so reden, verdienen keinen Glauben. Die Romantik war schon in ihren Quellen vergiftet. Glaubt man, ein Fluß, der solche Bestandtheile an seiner Mündung in sich trägt, hätte bei seinem Ursprunge Gold mit sich geführt? Man sehe, wie diese Männer enden, und man entnehme aus dem Bogen, den sie beschreiben, was für Impulse sie gegeben. Was war jener Steffens, der hieher kam und uns das Feuer brachte, das er vom deutschen Himmel geholt hatte? Eine ehrliche, sanfte Natur mit einem Kopfe voll Begeisterung und Konfusion, lauter Gefühl und nachfühlende Phantasie, ohne Spur von Schärfe des Gedankens oder Gedrungenheit und Prägnanz des Stils. Es ist buchstäblich unmöglich, seine sogenannten wissenschaftlichen Schriften aus seiner späteren Zeit zu lesen, man ertrinkt in wässriger Empfindelei und erstickt vor Langeweile. »Wenn er,« |21| sagt ein deutscher Schriftsteller, »die Naturphilosophie aus preußischen Kathedern in seinem fehlerhaften Deutsch vortrug, wollten seine Rechnungen nicht stimmen und seine Experimente nicht glücken, aber die Weihe, die Andacht, die naiv kindliche Hingebung, die aus seinen priesterlichen Vorträgen sprachen, rissen das Gemüth der Hörer hin.« Naivetät und wieder Naivetät! Er verleugnet nicht seine Abkunft. In seiner guten Zeit hatte er ein unschuldiges Vergnügen daran, die Kräfte der Menschenseele in den Steinen wieder zu finden und Geologie und Botanik zu vermenschlichen, so dass die Pflanzen sich ungefähr ausnahmen wie in Grandville’s »Fleurs animées«. Aber die Julirevolution brachte ihn ganz aus dem Häuschen. Der Pietismus, die alte trockene Dame, in deren Armen er sich während der letzten dreizehn Jahre wohlbefunden, und für die er schon manche Lanze gebrochen hatte, entflammte ihn, seine literarische Thätigkeit mit einer Reihe matter Angriffe auf die Männer des jungen nachrevolutionären Deutschlands und ihre Schriften zu beschließen.
Er folgte hier nur dem Wege, den sein Lehrer Schelling gewandelt war. Schelling, der im Gegensatz zu Fichte und seiner reinen Ich-Lehre die dunkle Naturseite des Geistes herauskehrte, und die Philosophie wie die Kunst und Religion auf der genialen Vision, der sogenannten intellektuellen Anschauung begründete, hatte die freie Willkür in seinem Princip, im Organ seiner |22| Lehre, jene Willkür, welche der Kern der Romantik ist. Schon in seinem »Bruno« (1802) hatte er das später so bedeutsame Stichwort »christliche Philosophie« eingeflochten, obschon er noch behauptete, »daß die Bibel an echt religiösem Gehalte nicht entfernt mit den heiligen Büchern der Inder zu vergleichen sei, ein Standpunkt, welchen sogar Görres im Anfange seiner Schriftstellerlaufbahn versicht. Als er, wie Novalis, auf Tieck’s Veranlassung, sich in Jakob Böhme und die übrigen Mystiker vertiefte, begann er mystisch über »die Natur in Gott« zu philosophiren, ein Ausdruck, den die spekulative Dogmatik, wie bekannt, späterhin sich angeeignet hat; als er jedoch kurz nachher als Professor zu München in den Adelsstand erhoben, zum Wirklichen Geheimen Rath und Präsidenten der Akademie der Wissenschaften im erzkatholischen und klerikalen Baiern ernannt wurde, da begann die nachmals so viel besprochene »Offenbarungsphilosophie« in seiner Seele zu leimen. Bald war die Umwandlung vollzogen. Der Feuergeist war ein Höfling und der Prophet ein Charlatan geworden, der durch Geheimniskrämerei, durch seltsame Programme von einer Wissenschaft, »die man bisher für unmöglich gehalten«, durch den Umstand, daß er nie seine Weisheit drucken lassen, sondern sie nur mündlich mittheilen und nie ganz mittheilen wollte, sich würdig machte, einige Zeit nach dem Tode Hegel’s von Baiern nach Berlin berufen zu werden, um der Staatsreligion |23| in dem bestehenden christlich-germanischen Polizeistaate hilfreiche Hand zu leisten und eine Staatsphilosophie zu lehren, die nach seinem eigenen Ausspruche Nichts anders als Christologie sein würde. Bei dieser Gelegenheit nun geschah es, daß die junge Generation, die Linie der Hegelschen Schule, über ihn herfiel und sein mystisches Spinngewebe in tausend Fetzen zerriß.
Allein Schelling ist noch der Rationellste; er selbst wird eifrig von Kierkegaard’s Liebling Franz Baader verketzert. Dieser wirft ihm vor, daß er die Dreieinigkeit auf eine logische Balancirstange stelle, besonders aber, daß er sich der Freidenkerei schuldig gemacht habe, die Existenz des bösen Geistes als persönlichen Teufels zu leugnen. Die übrigen romantischen Philosophen sprechen sich hiermit übereinstimmend aus. Schubert schreibt »Die Symbolik des Traumes«, beschäftigt sich in vollem Ernste mit Traumdeuterei – für die ganze Poesie der Romantiker war ja der Traum das Ideal – und schwelgt in Somnambulismus und Geisterseherei als den höchsten Erkenntnisquellen. Die Seherin von Prevorst, mit deren Enthüllung Strauß charakteristisch genug seine Thätigkeit beginnt, spielt in jener Zeit eine wichtige Rolle. Görres endlich, den Heine die tonsurirte Hyäne nennt, der Verfasser der »Christlichen Mystik«, des Buches, das Kierkegaard mit heiligem Schauer las, wälzt sich im Blute der Märtyrer, schwelgt in den Folterqualen und der Ekstase der Heiligen, schildert, |24| in welcher Ordnung Glorienschein, Nägelmale und Wundenmale an der Seite sich bei den männlichen und weiblichen Heiligen zeigen, die damit begnadigt werden, und er, der vormalige Jakobiner, wirft sich vor der allein seligmachenden katholischen Kirche aufs Gesicht, die heilige Alliance der Fürsten lobsingend. Man füge die Politiker hinzu: Adam Müller, der, wie treffend gesagt worden ist, Novalis’ blaue Blume in der Politik repräsentirt, und Staat, Wissenschaft, Kirche und Theater zu einer seltsamen Einheit verschmelzen will; Haller, der seinen Uebertritt zum Katholicismus verhehlt, um seine Aemter zu behalten, und der in seiner »Restauration der Staatswissenschaften« diese Wissenschaften auf der Theokratie begründet; Leo, gegen den Nuge seine glänzende Polemik führte, und der in demselben Geiste wider die Humanität des Zeitalters und dessen Scheu, das Blut der Radikalen zu vergießen, eifert; Stahl, der in seiner Rechtsphilosophie die Ehe mit dem Verhältnis zwischen Christus und der Gemeinde, die Familie mit der Dreieinigkeit und das irdische Erbrecht mit dem Anrecht auf das himmlische Erbtheil vergleicht – man nehme alles Dies zusammen, und man wird fühlen, daß die Romantik wie mit einem wahren Hexensabbath endet, in welchem die Philosophen die Rolle der alten Vetteln spielen, unter dem Donner der Obskuranten, unter dem wahnwitzigen Geheul der Mystiker und unter dem Geschrei der Politiker nach Polizeistaat, Klerisei und Theo|25|kratie, während die Theologie und Theosophie sich auf die Wissenschaften stürzen und sie unter ihren Liebkosungen ersticken.
So endet die Romantik, und ihre Quellen sind es, die beim Beginn des Jahrhunderts den Verjüngungsquell für unsere Literatur abgaben.
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